Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte
Er kannte die Symptome. Er hatte keine Angst vor Hope St. Germaine, aber er fürchtete ihre Macht über Glory.
Beklommen ging er auf Hope St. Germaines Büro zu und straffte sich. Er war schon mit Schlimmerem fertig geworden.
Wie immer erwartete sie ihn, und ihr kalter, triumphierender Ausdruck verursachte ihm Gänsehaut. Er schrieb das jedoch seinem Abscheu vor dieser Frau zu.
Sie kam um den Schreibtisch herum. „Haben Sie den Umschlag?“
„Natürlich.“ Er zog ihn aus der Tasche. Sie nahm ihm den Brief ab, und Santos empfand es als äußerst unangenehm, dass ihre Finger dabei seine berührten. Ihrer Gewohnheit entsprechend, prüfte sie den Inhalt und überreichte ihm dann ihren vorbereiteten Umschlag, den er mit zu Lily nehmen sollte.
Santos blickte verunsichert auf den Umschlag. Sollte er sein Versprechen brechen und mit Hope reden? Dann dachte er daran, welche Misshandlungen Glory von ihrer Mutter erduldet hatte. Sie hatte allen Grund, sich vor Hope zu fürchten, und er würde ihre Wünsche vorerst respektieren.
„Haben Sie mir etwas zu sagen?“ fragte Hope, und ein Lächeln zuckte um ihre Mundwinkel. Wieder bekam er eine Gänsehaut, sah sie jedoch gelassen an. „Nein, ich glaube nicht.“
Er nahm den Umschlag, wandte sich ab und ging zur Tür.
„Ich weiß es“, sagte sie ruhig.
Santos erstarrte, die Hand auf dem Türgriff.
Sie lachte: „Es stimmt, Victor Santos, ich weiß alles.“
Er sah sie über die Schulter an, nicht ganz sicher, ob er sie richtig verstanden hatte. „Wie bitte?“
„Ich weiß von der Trotzhandlung meiner Tochter. Von dem Techtelmechtel mit Ihnen. Ich bin nicht amüsiert darüber.“
Santos war verblüfft, irgendwie erleichtert, aber auch entsetzt. Mit heftigem Herzklopfen ließ er die Hand sinken und wandte sich zu Hope um.
„Stellen Sie sich nicht dumm, und wagen Sie es nicht zu leugnen, Victor. Ich habe Beweise.“
Er straffte sich. „Ich werde nichts dergleichen tun. Ich bin froh, dass Sie es wissen.“
„Wirklich?“ Sie zog eine Braue hoch. „Warum? Wollen Sie die Beichte bei mir endlich hinter sich bringen?“
„Und wenn es so wäre.“
Sie lachte wieder: „Armer Junge. Sie hat Ihnen wirklich was vorgemacht, wie? Aber das überrascht mich nicht.“
Santos brannte darauf, sie zu fragen, was sie damit meinte. Falls er das tat, spielte er ihr jedoch in die Hände. „Wie haben Sie es herausgefunden?“
„Durch Glory natürlich. Am Ende erzählt sie mir immer alles. Sie kann wohl nicht anders. Sie trickst mich aus und trotzt mir, meistens aus Bockigkeit. Gestern war es nicht anders.“
Santos fühlte sich, als hätte die Frau ihm in die Magengrube geschlagen. Er hatte Mühe, seine Erschütterung nicht zu zeigen. „Ich glaube Ihnen nicht. Glory und ich …“
„Haben uns gern?“ spottete sie. „Lieben uns vielleicht sogar?“
„Das tun wir tatsächlich.“
Sie schüttelte bedauernd den Kopf. „Sie bedeuten meiner Tochter nichts. Nicht das Geringste! Sie treibt ein falsches Spiel mit Ihnen, und tief im Innern wissen Sie das.“
Zorn dämpfte seine Ängste und machte ihn kühn. Ihm wurde klar, dass er ohne Glory sowieso nichts zu verlieren hatte. Empört machte er einen Schritt auf Hope zu. „Sie möchten gern glauben, dass wir uns nicht lieben. Tut mir Leid, Mama, die Partie verlieren Sie. Wir werden zusammenbleiben, ob Ihnen das nun passt oder nicht.“
Zornesröte überflutete ihre Wangen, als sie mit leicht verengten Augen erwiderte: „Das glauben Sie wirklich? Armer verblendeter Junge. Sie haben Glory Alexandra nur als Mittel für eine Trotzreaktion gedient, um ihre Mutter und ihren Vater zu strafen. Wofür? Weil wir sie verwöhnt haben? Weil wir wollten, dass sie in der richtigen Art und Weise aufwächst? Armes kleines, reiches Mädchen.“ Hope schnalzte mit der Zunge. „Und was macht sie? Sie lässt sich mit einem völlig unpassenden Jungen ein, von dem sie genau weiß, dass mein Mann und ich ihn nie akzeptieren würden. Sie schleicht herum wie ein Dieb, lügt und lässt ihr Treiben von ihrer Freundin decken.“
Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: „Es ist wirklich tragisch. So war sie schon immer: rücksichtslos, trotzig und völlig selbstsüchtig. Sie denkt nie daran, wen sie mit ihren kleinen Spielchen verletzen könnte.“
Nur mühsam konnte Santos weiter Vertrauen in Glory heucheln. Was Hope St. Germaine sagte, entsprach genau seinen Befürchtungen. Tapfer verdrängte er seine Zweifel. Nein, Glory war nicht so. Er
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