Verbotene Sehnsucht
Papieren und räusperte sich die ganze Zeit über.
Schließlich schaute er auf, betrachtete die anderen Menschen im Zimmer und räusperte sich ein letztes Mal, lange und gründlich. Als er zu sprechen anfing, bemerkte James, wie seine eigenen Gedanken abschweiften. Er hörte die leiernde Stimme des Anwalts, der verlas, dass Mrs. Talbot und Mr. Reeves für ihre treuen Dienste mit der jährlichen Summe von fünfhundert Pfund bis ans Ende ihres Lebens belohnt wurden, worauf die beiden ebenso erfreut wie überrascht reagierten, zumindest die Haushälterin, die daraufhin gleich wieder ihren Tränen freien Lauf ließ. Mit einem so großzügigen Legat hatten sie offenbar nicht gerechnet.
Für James als Haupterben enthielt das Testament wenig Überraschungen. Christopher, der Zweitgeborene, sollte viertausend Pfund im Jahr erhalten sowie eine einmalige Summe von zehntausend Pfund, sobald er das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet hatte.
Auch seine Ehefrau hatte der Earl of Windmere äußerst großzügig bedacht. Sie erhielt ein Anwesen in Derbyshire zugesprochen und dreitausendfünfhundert Pfund im Jahr, zahlbar bis an ihr Lebensende. Mit einem Blick auf seine Mutter stellte James fest, dass sie kaum eine Reaktion zeigte. Bitter dachte er, dass sie nach all den Zurückweisungen wenigstens jetzt ein bisschen Dankbarkeit hätte an den Tag legen können. Es gab reichere Männer, die ihre Witwen mit viel weniger zurückließen. James wandte sich von seiner Mutter ab.
» Mrs. Talbot und Mr. Reeves, ich glaube, das wäre alles für Sie«, verkündete Mr. Henry und schaute über den Rand seiner Brille hinweg. » Der Rest des Testaments betrifft ausschließlich die Familie.«
Die beiden nickten ehrerbietig. Die Haushälterin knickste und hielt ihr Taschentuch fest umklammert, bevor sie mit dem Butler still das Zimmer verließ.
Nachdem die Tür laut klickend ins Schloss gefallen war, wandte Mr. Henry sich an James und erklärte ihm, dass es noch eine letzte Verfügung gebe.
» Und meinen Töchtern Catherine und Charlotte Langston vermache ich eintausend Pfund jährlich bis ans Ende ihres Lebens. Mein Sohn James Rutherford wird den Fonds verwalten, bis die Mädchen das fünfundzwanzigste Lebensjahr erreicht haben. Falls sie sich vor dieser Zeit verheiraten, wird die Höhe ihrer Mitgift sich auf zehntausend Pfund belaufen…«
An dieser Stelle setzte James’ Verstand aus. Wie aus weiter Ferne drang an sein Ohr, dass ein Pensionat erwähnt wurde sowie Kosten für Unterricht und Aufenthalt, aber das war schon alles. Abrupt drehte er sich zu seiner Mutter um, die mit regloser Miene seinen Blick erwiderte– nur die Hände, die blass und verkrampft in ihrem Schoß lagen, verrieten ihre Empfindungen. James schaute wieder den Anwalt an, der inzwischen zu reden aufgehört hatte und ihn unbehaglich musterte.
» Töchter? Mein Vater hat zwei Töchter?«
Mr. Henry schlug die Augen nieder, bevor er James wieder anschaute. Langsam nickte er, seufzte dann. » Ich hatte Ihren Vater gebeten, Sie beizeiten zu unterrichten, dass Sie im Falle seines Todes vor der Aufgabe stünden, den Fonds zu verwalten. Aber bedauerlicherweise hat er nicht auf mich gehört.«
James schüttelte den Kopf, wie um die Benommenheit zu verscheuchen, die ihn hinderte, klar zu denken. Das alles ergab keinen Sinn. » Wie alt sind sie?«
» Fünfzehn.«
» Beide?«, fragte er und versuchte immer noch zu begreifen.
» Es handelt sich um eineiige Zwillinge.«
James fiel zurück in seinen Sessel. Mit anderen Worten, er hatte zwei Schwestern, die fast so alt waren wie Christopher. Was natürlich bedeutete, dass…
Er schwang herum zu seiner Mutter. » Du hast es gewusst«, stieß er hervor. Es war gar nicht anders denkbar, denn die Neuigkeit schien sie überhaupt nicht zu erschüttern beziehungsweise für sie gar keine zu sein. Außerdem würde es so manches erklären.
Sie löste die verkrampften Finger und schaute ihn an. Wie üblich war keine Gefühlsregung in ihrem Blick zu erkennen. » Ja, ich habe es gewusst, seit Christopher ein kleiner Junge war. Als ich seine Niederkunft erwartete, begann dein Vater in London ein Verhältnis mit einer Dirne, die in Lord Chesters Haus lebte.«
Mr. Henry räusperte sich, um zu protestieren. » Es war keine Dirne, sondern die Tochter des Earl of Chester.«
» Sie meinen, seine uneheliche Tochter, ein Bastard also«, konterte sie giftig.
James zog die Brauen hoch. » Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass mein Vater mit
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