Verbotene Sehnsucht
der Tochter eines Earl herumgetändelt hat, ganz gleich ob unehelich oder nicht.«
» Sie gehörte keineswegs nur ihm«, warf Lady Windmere ein. » Zudem war sie bei ihrem Vater kaum mehr als eine Bedienstete.« Die letzten Worte spie sie förmlich aus.
James warf Mr. Henry einen Blick zu. Der Anwalt nickte zögerlich und bestätigte damit die Worte seiner Mutter.
» Die junge Frau ist vor dreizehn Jahren an Auszehrung gestorben. Deshalb sind die Mädchen seit ihrem fünften Lebensjahr in der Schule Our Lady of Fatima untergebracht. Seit ihrer Geburt hat Ihr Vater ihren Lebensunterhalt bestritten, denn Lord Chester hat seine Tochter aus dem Haus gejagt, als er die Schwangerschaft entdeckte. Lord Windmere war ein äußerst großzügiger Mann«, schloss Mr. Henry, und ein bewunderndes Lächeln glitt über seine schlichten Gesichtszüge.
» Er war ein Schürzenjäger der übelsten Sorte«, widersprach seine Mutter. » Seit damals hat er nichts als Scham und Schande über mich gebracht.«
James erhob sich unsicher, denn er hatte nicht die Absicht, in Gegenwart des Anwalts in einen Streit über seinen Vater verstrickt zu werden.
» Wenn das alles ist, Mr. Henry, dann nehme ich die Dinge ab sofort in die Hand.«
Der Blick des Anwalts wanderte zwischen Mutter und Sohn hin und her. Schließlich sammelte er seine Unterlagen ein und steckte sie in den Handkoffer zurück. » Ich überlasse Ihnen eine Abschrift des Testaments. Dort finden Sie sämtliche Einzelheiten über die Versorgung Ihrer Schwestern. Falls Sie meine Hilfe brauchen, stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung.«
James begleitete den Mann zur Tür und schüttelte ihm kräftig die Hand. » Danke, das werde ich tun«, sagte er. Mr. Henry murmelte ein paar Abschiedsworte und verschwand.
Statt sich wieder in den Sessel zu setzen, lehnte James sich an die Schreibtischkante. Er starrte hinunter auf seine Mutter, der trotz ihrer Überheblichkeit die Tränen in die Augen gestiegen waren. Sein Herz wurde weich.
» Hast du ihn geliebt?«, fragte er.
Sie schaute zu ihm auf, als würde die Frage sie erschrecken. Nach ein paar Sekunden nickte sie und schloss die Augen. Eine Träne quoll hervor und rann ihr über die blasse Wange.
» Früher, ja«, gestand sie, und ihre Stimme zitterte. » Ich dachte, wenn wir erst verheiratet sind, hört er auf, anderen Röcken nachzujagen. Aber schon bald nach den Flitterwochen habe ich herausgefunden, dass er es nicht lassen konnte. Ich habe einfach versucht, sein Verhalten zu ignorieren und ihm die perfekte Ehefrau zu sein. Ein paar Jahre hat er sich dann auch Mühe gegeben, doch seit ich mit Christopher schwanger war, ging es wieder los. Als ich dann von den Zwillingen erfahren habe…« Ihre Stimme brach, und sie musste schlucken. » Nachdem ich das entdeckt hatte, konnte ich nicht mehr weitermachen. Denn jetzt hatte er Kinder, die seine Untreue für immer bezeugen würden. Kinder von einer Frau, die so tief unter…«
» Achte auf deine Worte, Mutter. Ich weiß, dass du verletzt bist, aber es sind trotzdem meine Schwestern. Ich habe die Absicht, sie auch als solche zu behandeln.«
» Was genau meinst du damit?«
» Dass ich die Absicht habe, sie zu besuchen. Ich möchte wissen, wo und wie sie leben.«
Die Countess öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton hervor.
Sobald sie sich von dem Schock erholt hatte, fuhr sie fort. » Das kann doch nicht dein Ernst sein, oder?« Es klang wie eine Mischung aus Ungläubigkeit und Beleidigtsein.
» Doch.«
» Du willst mich wirklich auf solche Art kompromittieren? Wenn die Salons es erfahren, machen sie mich zur Zielscheibe ihres erbarmungslosen Gespötts.«
» Wohl kaum, Mutter. Solche Dinge geschehen alle Tage. Es ist viel wahrscheinlicher, dass dir herzliches Mitgefühl entgegenschlägt, sobald jemand erfährt, dass es die Mädchen gibt. Wenn sie überhaupt auf jemanden einschlagen, dann auf Vater. Aber da er nicht mehr unter uns weilt, spielt das keine Rolle.«
» Aber warum solltest du dich mit ihnen zusammentun wollen? Sie kennen dich doch gar nicht. Und du kennst sie nicht.«
» Weil sie zu meiner Familie gehören. Es ist eine Frage des Anstands, dass ich meine eigenen Schwestern wenigstens einmal aufsuche«, sagte er schlicht.
Seine Mutter erhob sich missbilligend, warf ihrem Sohn einen vernichtenden Blick zu und rauschte aus dem Zimmer.
Missy hätte einfach behaupten können, sie habe an diesem kühlen Augustnachmittag nur ein wenig frische Luft schnappen wollen und
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