Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)
abfinden. Aber vorläufig brauchtensie Zeit. Es durften keine Finger- oder Zahnabdrücke zurückbleiben. Yasuko stieß einen Seufzer aus. Für Ishigami klang er erotisch, fast wie ein Stöhnen, und sein Herz erbebte. Seine Entschlossenheit, sie nicht zu enttäuschen, erstarkte aufs neue.
Sie waren in einer schwierigen Lage. Sobald die Identität der Leiche geklärt war, würde die Polizei auf Yasuko zukommen. Ishigami war nicht sicher, ob sie oder ihre Tochter einem strengen Verhör standhalten würden. Mit fadenscheinigen Ausflüchten wäre es nicht getan. Sobald die Polizei eine Unstimmigkeit entdeckte, würde das ganze Lügengebäude einstürzen, und die beiden würden die Wahrheit ausplaudern.
Sie brauchten etwas, das sie vollkommen entlastete, etwas, das auf vollkommener Logik basierte. Blinder Eifer schadet nur, sagte er sich. Mit Panik war das Problem nicht zu lösen. Und für jedes Problem gab es eine Lösung.
Ishigami schloss die Augen, wie es seine Gewohnheit war, wenn er vor besonders kniffligen mathematischen Herausforderungen stand. Er musste nur alle äußeren Einflüsse ausblenden und schon nahmen die Formeln Gestalt an. Nur, dass es diesmal keine Formeln waren, die sein Gehirn beschäftigten.
Nach einer Weile öffnete er die Augen. Als Erstes sah er auf den Wecker auf dem Tisch. Es war halb neun Uhr abends. Dann sah er Yasuko an. Sie schluckte und wich zurück.
»Helfen Sie mir, ihn auszuziehen.«
Yasuko blinzelte. »Was?«
»Wir müssen ihm die Kleider ausziehen. Nicht nur das Jackett, auch den Pullover und die Hose. Und zwar schnell, bevor die Leichenstarre einsetzt.« Schon griff Ishigami nach Togashis Jacke.
»Ja«, sagte Yasuko. Sie beugte sich vor, um ihm zu helfen, aber ihre Hände zitterten vor Widerwillen.
Ishigami zögerte. »Lassen Sie nur«, sagte er. »Ich mache das. Gehen Sie rüber und helfen Sie Ihrer Tochter.«
»Es tut mir leid.« Yasuko nickte und erhob sich langsam.
»Frau Hanaoka«, rief Ishigami ihr nach. Sie drehte sich um. »Sie brauchen ein Alibi.«
»Ein Alibi? Aber das habe ich nicht.«
»Deshalb müssen wir eins für Sie erschaffen«, sagte Ishigami. Er zog die Jacke an, die er der Leiche gerade ausgezogen hatte. »Verlassen Sie sich auf mich. Mit logischem Denken werden wir alles heil überstehen.«
Kapitel 3
»Irgendwann würde ich gern einmal analysieren, wie dein sogenanntes logisches Denken funktioniert«, sagte Manabu Yukawa gelangweilt, eine Wange in die Hand gestützt. Dann gähnte er übertrieben. Seine Nickelbrille hatte er beiseitegelegt, wie um zu signalisieren, dass er sie länger nicht brauchen würde.
Wahrscheinlich stimmte das. Kusanagi ihm gegenüber starrte bereits seit über 20 Minuten auf das Schachbrett, fand aber, wie er es auch drehte und wendete, keinen Ausweg. Für seinen König gab es keine Rettung mehr. Angreifen konnte er auch nicht. Er hatte die verschiedensten Züge erwogen, aber jeder hätte unweigerlich zu seiner Niederlage geführt.
»Schach ist irgendwie nicht mein Ding«, murmelte Kusanagi.
»Jetzt geht das wieder los.«
»Besonders blöd finde ich, dass man dem Gegner erst die Figuren wegnimmt, sie dann aber nicht einsetzen darf. Sie sind doch Kriegsbeute. Man sollte sie benutzen dürfen.«
»Jetzt schieb es nicht auf die Spielregeln! Außerdem sind die Figuren keine Kriegsbeute, sie sind Soldaten. Wenn man sie vom Brett nimmt, sind sie gefallen. Und tote Soldaten kann man nicht einsetzen.«
»Aber beim Shogi geht das.«
»Das ist der Verdienst des Mannes, der Shogi erfunden hat. Wenn du beim Shogi Steine gewinnst, eroberst du sie, aber du tötest sie nicht. Deshalb darfst du sie auch wieder einsetzen.«
»Beim Schach sollte es genauso sein.«
»Die Sache umzudrehen, entspricht nicht gerade einem ritterlichen Geist. Spar dir deine lahmen Ausreden und betrachte die Situation mal logisch. Du kannst nur einen Zug machen. Und du hast nur wenige Figuren, die du dazu einsetzen kannst. Keiner dieser Züge würde mich auch nur im geringsten aufhalten. Ganz gleich, was du tust, beim nächsten Zug werde ich dich mit meinem Springer schachmatt setzen.«
»Ich gebe auf.« Kusanagi sank in seinem Stuhl zurück. »Schach ist langweilig.«
»Mit dir schon.« Yukawa warf einen Blick auf die Wanduhr. »Zweiundvierzig Minuten, von denen du die meisten mit Grübeln verbracht hast. Wie kommt es, dass ein Mann wie du so viel Zeit zu verschwenden hat? Was sagt überhaupt dieser Sturkopf von deinem Chef dazu?«
»Nichts. Ich habe
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