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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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übersäten Karte an der Wand. Die rosafarbenen waren die von Caffery, sie markierten die Stellen, von denen er wusste, dass der Walking Man sie aufgesucht hatte. Allmählich trat dabei ein Muster zutage: ein langer Streifen, der sich von Shepton Mallet, wo der Walking Man früher gewohnt hatte, nach oben erstreckte. Bei den schwarzen Nadeln konnte Caffery kein Muster erkennen. Es waren sechs Stück, drei an den Orten, wo der Entführer zugeschlagen hatte, und die anderen drei an Stellen, die irgendeine Bedeutung besaßen: das Pfarrhaus in Oakhill, wo er den Milchzahn hinterlassen hatte, das Gelände bei Tetbury, wo der Yaris der Bradleys kurz geparkt hatte, und der Parkplatz bei Avoncliff in Wiltshire, wo der Wagen abgestellt worden war.
    »Es gibt da einen Bahnhof in der Nähe.« Caffery betrachtete blinzelnd die schwarzen Stecknadeln. »Wenn Sie genau hinschauen – da verläuft eine Bahnlinie.«
    Prody ging zur Karte und studierte die Stecknadeln. »Das ist die Strecke von Bristol nach Bath und Westbury.«
    »Die Wessex Line. Sehen Sie mal nach, wohin sie von Bath aus weitergeht.«
    »Freshford, Frome.« Er sah über die Schulter zu Caffery. »Martha wurde in Frome entführt.«
    »Und Cleo in Bruton. Das liegt auch an der Strecke.«
    »Sie meinen, er fährt mit dem Zug?«
    »Könnte sein. Zu den Bradleys ist er heute mit dem Auto gefahren, da bin ich sicher. Und er muss auch einen Wagen benutzt haben, um nach Bruton zu kommen – vielleicht den Vauxhall. Aber wenn er ein fremdes Auto entführt, muss er irgendwann zurückkommen und den Vauxhall abholen.«
    »Also wohnt er vielleicht in der Nähe eines der Bahnhöfe an dieser Strecke?«
    Caffery zuckte die Achseln. »Na ja, es wäre eine Hypothese, aber nehmen wir’s mal an. Etwas anderes haben wir ja nicht. Setzen Sie sich morgen früh mit der Bahngesellschaft in Verbindung, und fordern Sie die Aufnahmen der Überwachungskameras an. Sie kennen das Verfahren?«
    »Ich denke schon.«
    »Und, Prody?«
    »Ja?«
    »Nur weil Turner nach achtzehn Uhr rumläuft wie auf einem Rockfestival, Lollapalooza es cool findet, barfuß durch die Büros zu rennen, und ich einen Labrador im Büro habe, brauchen Sie Ihr Niveau noch lange nicht zu senken.«
    Prody nickte und zog seinen Krawattenknoten straff. »Das ist ein Collie, Boss.«
    »Ein Collie. Sagte ich doch.«
    »Ja, Boss.« Prody war schon fast aus der Tür, als ihm noch etwas einfiel. Er schloss sie wieder.
    »Was ist?«
    »Ich hab die Akte zurückgebracht. Gestern Abend, wie Sie es wollten. Niemand ist aufgefallen, dass ich sie hatte.«
    Einen Moment lang wusste Caffery nicht, wovon er sprach. Dann fiel es ihm wieder ein. Misty Kitson.
    »Gut. So hatte ich’s gewollt.«
    »Einen Moment lang dachte ich, Sie wären sauer auf mich.«
    »Ja, schon gut, mir ging gestern etwas gegen den Strich. Nehmen Sie das nicht so ernst.« Er zog die Tastatur zu sich heran. E-Mails warteten. »Bis später.«
    Aber Prody ging nicht, wartete an der Tür. »Das war schwer für Sie. Wie der Fall abgeschlossen wurde.«
    Caffery hob den Kopf und starrte ihn an. Das war nicht zu fassen. Er schob die Tastatur beiseite und richtet seine ganze Aufmerksamkeit auf Prody. Er hatte dem Kerl befohlen, die Sache nicht weiter zu verfolgen. Wie kam er auf die Idee, trotzdem immer noch darauf herumzureiten? »Es war schwer für das Dezernat, den Fall abzuschließen.« Er knipste die Tischlampe aus, stützte die Ellbogen auf den Tisch. Machte ein möglichst gleichmütiges Gesicht. »Da will ich Ihnen nichts vormachen. Das ist uns schwergefallen. Deshalb schätze ich es nicht, wenn Sie mir Fälle von der Revisionsabteilung anschleppen.«
    »Der Informant, den Sie da hatten …?«
    »Was ist mit ihm?«
    »Sie haben nie gesagt, wer das war.«
    »Es steht nicht in der Akte. Das ist ein entscheidender Punkt bei einem Spitzel. Seine Privatsphäre wird gewahrt.«
    »Sind Sie nie auf den Gedanken gekommen, dass er Sie belügen könnte, Ihr Kontakt? Dieser Arzt – von dem der Informant behauptete, er habe Misty umgebracht –, man hat seinen ganzen Garten umgegraben und sie nicht gefunden. Es gab weiter nichts, das ihn mit ihr in Verbindung gebracht hätte. Deshalb dachte ich … vielleicht hat der Informant gelogen, um Sie auf eine falsche Spur zu locken?«
    Caffery sah Prody prüfend an und suchte nach einem Hinweis darauf, dass der Kerl etwas – irgendetwas  – über die Wahrheit wusste, an der er da entlangschrammte. Es gab ja keinen Informanten. Hatte

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