Verfallen
Widerstand. Genaueres weiß ich allerdings nicht darüber. »Welche Risiken bestehen denn dabei?«
»Ich habe zum Beispiel von Maissorten gehört, die Giftstoffe gegen schädliche Insekten produzieren. Das mag praktisch klingen, aber dieses Gift gelangt natürlich in die Schweine und Hühner, die den Mais fressen, und schließlich durch das Fleisch und die Eier auch in den Menschen. In anderen gentechnisch veränderten Pflanzen hindern bestimmte Gene die gewonnene Saat am Keimen. Diese ›Killergene‹ schleust der Lieferant ein, damit sich die Pflanzen nicht von selbst aussäen können.«
»Aber das ist doch gut?«
»Einerseits ja, aber im Fernsehen hieß es, dahinter steckten kommerzielle Interessen. Die Produzenten konnten ihr teures Saatgut ansonsten nur ein Mal verkaufen. Die Bauern würden nach jeder Ernte einen Teil der Samen als neues Saatgut zurückbehalten. Die Samenhändler scheinen auch eine genetische Resistenz gegen bestimmte Landwirtschaftsgifte einbauen zu können. So können die Bauern munter alles Unliebsame kaputtspritzen, denn ihre Pflänzchen gedeihen ja weiter.« Der Ermittler hustet ein paar Mal kräftig in seine Faust und fährt fort: »Bisher ist wenig über die Langzeitfolgen bekannt. Angenommen, Ihre Felder würden verseucht, dann könnte es zum Beispiel passieren, dass Ihre Pflanzen unfruchtbar werden oder Ihre Ernte auf andere Art und Weise misslingt. Dann sind Sie die Dumme.«
»Sind diese Ängste berechtigt?«
Er zuckt mit den Schultern. »Wer weiß? Die meisten Leute stehen solchen Experimenten mit Erbgut nun einmal misstrauisch gegenüber. Vielleicht zu Recht. Weltweit beherrschen nur einige wenige Konzerne den Markt, auf dem unglaubliche Summen fließen. Die Gentechsaaten stammen größtenteils von demselben Konzern wie die Pestizide, gegen die sie resistent sind. Wem soll man also vertrauen?«
Es hat angefangen zu regnen. Regentropfen trommeln gegen die Fenster und rinnen an den schmutzigen Scheiben hinunter.
»Glauben Sie wirklich, dass das Ehepaar von einem seiner Nachbarn ermordet wurde?«
»Angst ist eine starke Triebfeder. Auch Neid kann ein Motiv sein: Die Familie Bonnet erfüllte in dieser Gegend eine Vorbildfunktion. Sie waren die reichsten Bauern weit und breit, mit dem größten Landbesitz und den besten Beziehungen. Hoch angesehen. Monsieur Bonnet war sogar Bürgermeister unseres Dorfes und mit Politikern und einflussreichen Personen bis auf Landesebene bekannt. In diesen Kreisen ermitteln die Kollegen auch gerade.« Er schweigt einen Moment. Als er fortfährt, klingt seine Stimme schneidender: »Außerdem hatten wir hier in der Gegend Probleme mit Umweltfanatikern, die sich gegen jede Form des Fortschritts stellten. Bauern mit Genmais-Testfeldern sind schon öfter zu Opfern ihrer Aktionen geworden. Genau wie die Foie-gras- Produzenten, die gehören auch zu den Lieblingszielen solcher Unruhestifter. Vor allem ausländischer Weltverbesserer, übrigens. Alles Träumer.« Er reckt das Kinn und starrt mich sekundenlang an. »Wie dem auch sei, es könnte sein, dass sie diesmal einen Schritt zu weit gegangen sind.« In seinem Blick liegt jetzt eine Kälte, die mich auf meinem Stuhl zurückweichen lässt.
Das klingt nach einer unverblümten Unterstellung. Dianne ist Vegetarierin und – wie sie noch bei unserer letzten Unterhaltung durchblicken ließ – eine strikte Gegnerin jeglicher Eingriffe des Menschen in die Natur. Ich bin ihre Freundin. Glaubt dieser Mann etwa …?
Plötzlich erkenne ich die Logik hinter all dem. Natürlich hofft dieser Fahnder, aus mir nützliche Informationen für seine Mordermittlungen herausholen zu können. Warum sollte er sonst in seiner kostbaren Dienstzeit mit einer wildfremden Ausländerin Kaffee trinken, bei der lediglich eine Scheibe zu Bruch gegangen ist?
Pascal Blondy ergreift erneut das Wort. »Wie auch immer … Dieser Fall wird uns noch eine Weile beschäftigen. Ist Ihre Freundin eigentlich inzwischen wieder aufgetaucht?«
Ich schüttele den Kopf. »Nein.« Das erinnert mich an Chevaliers gleichgültige Haltung von gestern, und ich sehe wieder den schlaffen, leblosen Katzenkörper auf dem Mülleimer vor mir. Ein Anblick, den ich nie mehr vergessen werde. »Übrigens: Gut, dass Sie gekommen sind, denn ich wollte gerade zu Ihnen fahren.«
»Warum?« Der Zahnstocher hängt reglos in seinem Mundwinkel.
»Die angeblichen Dummheiten haben ernsthafte Formen angenommen«, erkläre ich, lauter als beabsichtigt.
»Dummheiten? Was
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