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Verfallen

Titel: Verfallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef
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wollen Sie damit sagen?«
    Ich zeige auf die vernagelte Fensteröffnung. »Ihr Kollege Chevalier hat gelangweilte Jugendliche für die Scheibe verantwortlich gemacht, die bei mir eingeschlagen wurde.«
    »Könnte gut sein.«
    Widerwillig hole ich das Handy aus der Tasche. »Dieses Foto habe ich vor anderthalb Stunden aufgenommen. Die Katze gehörte offenbar hierher, sie strich ständig um das Haus herum.«
    Blondy sieht sich das Foto genauer an und pfeift zwischen den Zähnen hindurch. »Unschön.«
    »Gilt das noch als Dummheit? Verübt von gelangweilten Jugendlichen?«
    »Wer weiß.«
    Die Wut steigt wieder in mir auf. »Dem Kater wurde der Bauch aufgeschlitzt. Welcher Unmensch tut denn so etwas Krankes? Das können Sie doch unmöglich noch als bêtise bezeichnen?« Heftiger füge ich hinzu: »Das ist einfach … Mord. Jemand, der so etwas tut, ist gefährlich. Verrückt. Der gehört eingesperrt.«
    Blondy räuspert sich und blickt mich mit gerunzelter Stirn an. »Wir reden hier von einer Katze, Mademoiselle.« Er spricht das Wort aus wie »Kakerlake« oder »Schmeißfliege«.
    »Er war ein sehr liebes Tier«, erwidere ich, erschüttert von seiner Gefühllosigkeit.
    »Kann schon sein. Aber es war nur eine Katze.« Mit einer weiträumigen Armbewegung fährt er fort: »Hier gibt es Tausende Katzen. Millionen, was weiß ich. Die vermehren sich wie Ungeziefer.«
    »Es war ein Tier. Ein lebendes Wesen.«
    »Essen Sie Fleisch?«
    »Ja, aber …«
    »Dann messen Sie mit zweierlei Maßstäben. Das findet man öfter bei Stadtmenschen. Eine Katze ist ein Tier, wie Sie ganz richtig bemerkt haben. Und Tiere sind zu unserem Nutzen da. So ist es nun einmal eingerichtet.«
    Ich sage nichts mehr. Diese Mentalität ist derartig weit entfernt von meiner eigenen und von den Überzeugungen aller Leute, die ich kenne, dass mir schlichtweg die Worte fehlen. Das Wohl der Tiere scheint ihm nicht besonders am Herzen zu liegen. Ich muss einen anderen Ansatz wählen. »Aber das kann doch nichts anderes bedeuten als eine unmittelbare Drohung?« Ich deute auf mich. »An meine Adresse?«
    »Das kann man so nicht sagen. Hören Sie, Ihre Freundin hat sich in unserem Dorf, um es mal ganz unumwunden auszudrücken, nicht gerade beliebt gemacht.«
    »Hat es schon öfter solche Vorfälle gegeben?«
    »Nicht, dass ich wüsste. Sie hat jedenfalls nie Anzeige erstattet. Aber es würde mich nicht wundern. Sticheleien wie diese sind ziemlich … gebräuchlich.«
    »Sie hat behauptet, sie hätte Freundschaften geschlossen.«
    Blondy drückt das Kinn auf die Brust und sieht mich ungläubig an. »Ach, wirklich?«
    Ich nicke.
    »Hat sie Namen genannt?«
    »Nein.«
    Stirnrunzelnd blickt der Ermittler hinüber zum Waldrand. Baumwipfel wiegen sich hin und her, Blätter fallen ab und wirbeln wie leuchtend goldenes Konfetti über das Feld.
    »Es wundert mich wirklich, dass sie so etwas gesagt hat«, wiederholt er.
    »In welcher Hinsicht?«
    »Ihre Freundin lehnt die Lebensweise der Einheimischen hier strikt ab. Mir ist zu Ohren gekommen, dass sie sich mehrmals auf Diskussionen mit Jägern eingelassen hat.« Er sieht mich eindringlich an. »Das hinterlässt nicht gerade einen guten Eindruck, wie Sie sich vorstellen können. Einige Leute nehmen Anstoß daran.«
    Ich muss an die feindselige Haltung der Jäger in der Jagdhütte, an die Nachbarn, den Einbruch und an Gruselchen denken … Hässliche Bilder und Gedanken steigen in mir auf.
    Fast im Flüsterton frage ich: »Glauben Sie, dass die Jäger es auf meine Freundin abgesehen haben? Dass sie … ihr vielleicht etwas angetan haben?«
    »Wie bitte?«, fragt er erstaunt. »Wie kommen Sie denn darauf? Ich wollte nur damit sagen, dass ich kaum glauben kann, dass Ihre Freundin hier Freunde gefunden hat.« Er dreht sich um und schiebt mir das Handy über den Küchentisch zu. »Und Sie wohl auch nicht, scheint mir. Aber nehmen Sie es nicht persönlich. Die Leute hier mögen einfach keine Fremden, die sich in ihrem Dorf niederlassen und sich in ihre Angelegenheiten einmischen. Verständlich, von unserem Standpunkt aus.«
    Unserem. Nicht ihrem.
    Auch Blondy, der Ordnungshüter, betrachtet mich als Außenseiterin.
    Er steht auf, greift energisch meine Hand und schüttelt sie. »Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf: Fahren Sie doch einfach wieder nach Hause.«
    Meine Hand liegt reglos und feucht in seiner kräftigen Faust, aber meine Stimme klingt entschlossen. »Nicht, bevor ich mit meiner Freundin gesprochen habe. Wenn sie

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