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Verfallen

Titel: Verfallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef
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Augen hatte. Soweit ich mich erinnern kann, habe ich beispielsweise nie erlebt, dass Diannes Eltern sich je um ihre Tochter sorgten oder aufrichtiges Interesse an ihr zeigten. Bei uns dagegen wurde Dianne geliebt und akzeptiert. Hier fand sie ein warmes Nest.
    »Ich überlege, gegen die Kündigung Einspruch einzulegen«, verkünde ich.
    »Aber wie denn? Du hattest doch nur einen Zeitvertrag.«
    »Stimmt. Aber ich habe nie die Chance erhalten, mich zu beweisen. Sjef, mein Vorgesetzter, hat alle meine Beiträge umgeschrieben. Was sie nicht gerade besser machte.« Streitbar trinke ich einen Schluck von meiner Milch.
    Meine Mutter hat einmal in einer Fernsehsendung gesehen, dass das Kalzium in der Milch sich mit Fett verbindet. Tränke man zu einer fetten Mahlzeit Milch, bliebe weniger Fett im Körper zurück als beim Genuss von Wasser oder Wein, hieß es. Seitdem steht beim Abendessen immer Milch auf dem Tisch.
    Mein Vater wirft wütend ein: »Das hast du uns nie erzählt! Dass dieser Kerl an deinen Artikeln herumgepfuscht hat.«
    »Was fällt dem eigentlich ein?«, stößt meine Mutter in dasselbe Horn. »Das macht man doch nicht?«
    Schulterzuckend erwidere ich: »Doch, an sich ist das durchaus üblich. Die Schlussredakteure sind für die Überschriften der Artikel verantwortlich, und meistens kürzen sie die Beiträge auch. Nur hat Sjef es wirklich übertrieben.« In Gedanken füge ich hinzu: Außerdem ist er kein Schlussredakteur.
    »Nimm noch etwas von der Wurst«, fordert meine Mutter mich auf. »Es ist genug da.«
    Automatisch spieße ich ein Stück auf und schneide es auf meinem Teller in Scheiben. Kaum habe ich den ersten Bissen gegessen, als mein Handy klingelt. Mit Daumen und Zeigefinder fische ich es aus der Hosentasche und werfe einen Blick auf das Display. Null, null, drei, drei – die Vorwahl von Frankreich.
    »Tut mir leid, den Anruf muss ich leider annehmen.« Ich entschuldige mich, schiebe meinen Stuhl zurück, gehe hinaus auf den Flur und schließe die Tür hinter mir.
    »Mademoiselle Lambrèk? Geht es Ihnen gut?«
    Seltsam, die Stimme von Gérard Godin im Flur meines Elternhauses zu hören.
    »Danke, und Ihnen?«
    »Gut, danke. Ich rufe wegen des Falls an. Schließlich hatte ich versprochen, Sie auf dem Laufenden zu halten.«
    Ich umfasse das Handy mit beiden Händen. »Gibt es Neuigkeiten?«
    »Allerdings. Es geht um Hugo Sanders. Er sitzt in einer Zelle im Präsidium. Wir haben ihn verhaftet.«
    »Wunderbar! Fantastisch!«
    »Es wird jedoch schwierig werden, ihn vor Gericht zu bringen und zu verurteilen, denn die einzigen Beweise, die wir gegen ihn haben, sind die E-Mails Ihrer verstorbenen Freundin und ihre mündliche Aussage Ihnen gegenüber. Ich befürchte, das reicht nicht.«
    »Aber es muss doch noch mehr geben? Dieser Mann ist lebensgefährlich. Er hat mehrere Menschen ermordet, nicht nur in Frankreich. Und …«
    »Wir haben aber leider keine direkten Beweise gegen ihn. Wir bräuchten etwas Konkretes, um ihn länger in Untersuchungshaft zu behalten. Spuren, DNA oder eine Mordwaffe, mit der wir ihn in Verbindung bringen können. Im Augenblick können wir die Vorwürfe gegen ihn nicht erhärten. Er sagt nichts, gibt nichts preis.« Godin unterbricht sich und stößt ein verärgertes Knurren aus. »Außerdem arbeiten zwei Spitzenanwälte für ihn, die alles dafür tun, ihn so schnell wie möglich wieder hier rauszuholen.«
    »Das darf nicht geschehen!«
    »Wir tun unser Möglichstes, um es zu verhindern.«
    »Und Kurt Wesemann? Weiß er nicht mehr über ihn?«
    »Wesemanns Leiche wurde von der Hundestaffel gefunden. Er lag knapp einen halben Kilometer vom Landhaus entfernt in einer Felsspalte. Die Obduktion hat ergeben, dass er erschossen wurde. Wir ermitteln noch, ob die Schüsse aus Notwehr von Ihrer Freundin abgegeben worden sein können, wie Sie ausgesagt haben. Von der Mordwaffe fehlt allerdings jede Spur.« Ich höre ein Gluckern. Godin trinkt etwas. »Florian Chevalier hat allerdings mittlerweile ausgesagt. Er hatte nichts mit der Aktivistengruppe an sich zu tun, beobachtete aber ihre Zielpersonen in der Umgebung des Dorfes. Wenn er wusste, dass niemand zu Hause war, informierte er die Aktivisten, sodass diese ungestört operieren konnten. Nachdem sie weg waren, untersuchte er die Tatorte auf Spuren und Beweismaterial. Dafür würde er bezahlt. Nebenbei raubte er den armen Opfern ihr sauer Erspartes und sicherte sich damit einen lukrativen Nebenverdienst.«
    »Dianne hat mir erzählt,

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