Verfault 2 xinxii
Antwort und sofort hatte Frau Stoner einen kleinen Klumpen auf einen Löffel bugsiert und reichte ihn mir.
»Vielen Dank!«
»Dafür doch nicht, Herr Wegener. Der Tee ist im Zimmerpreis inbegriffen«, grinste sie fröhlich und nahm auch ihre Tasse in die Hand. Wir tranken den Tee, der offenbar ein Earl-Grey war, aus dem man erfrischende Orangen herausschmeckte. Sie erzählte mir etwas über sich, dem Haus und ihrem Sohn, der inzwischen in London arbeitete. Im Gegenzug gab ich ein wenig von mir Preis: meiner Arbeit, mein Anliegen in Wales und meiner Familie. Es waren nicht mehr als 30 Minuten vergangen, aber ich konnte meine Augen kaum noch offenhalten. Die Lider schlossen sich immer wieder wie von selbst und meine Gastgeberin bemerkte meine offensichtliche Müdigkeit.
»Entschuldigen Sie, Herr Wegener. Sie sind ja völlig übermüdet und ich halte Sie hier mit langen Reden und Tee auf. Soll ich Ihnen ihr Zimmer zeigen?«
Ich nickte und erhob mich, aber mir wurde auf einen Schlag schwindelig und ich musste mich wieder setzen. Die alte Dame, die direkt vor mir stand, verschwamm ein wenig vor meinen Augen und es wirkte, als würde sie sich vor und zurückbewegen. Ich schloss kurz meine Lider und öffnete sie kurz darauf nochmals. Frau Stoner war nun wieder klar zu erkennen und sie grinste mich breit an. Ihr Gesicht war nur noch Zentimeter von meinem entfernt und ihr Lächeln wirkte plötzlich nicht mehr offen und herzlich, sondern eher künstlich verstellt und gezwungen.
»Sie sind ja total erschöpft«, sie schüttelte den Kopf und ihre Worte hallten wie ein Echo in meinem Schädel, »Bald können Sie schlafen, keine Sorge. Folgen Sie mir. Schnell, folgen Sie mir. Sie wollen doch ihr Zimmer sehen, oder?«
Ich war nicht in der Lage zu antworten und daher nickte ich nur. Ich stand erneut auf und diesmal wurde mir zwar nicht nochmals schwindelig, aber ... Was war mit mir? Meine Beine fühlten sich seltsam taub an, als würden sie gar nicht zu mir gehören und ich hatte Angst einen Schritt nach vorne zu setzen. Die alte Frau schien ungeduldig zu werden und sie sprach mich mit lauter Stimme an: »Nun kommen Sie schon. Kommen Sie!«
Ich konnte nicht und stand auf der Stelle, wie festgewachsen. Hatte ich einen Schlaganfall? Ich wollte die Dame bitten, Hilfe zu rufen, aber ich brachte keinen Ton heraus. Frau Stoner begann zu nuscheln, und obwohl sie nun wieder leise sprach, konnte ich sie gut verstehen: »So schnell hat es noch nie gewirkt, verdammt. Ich muss ihm doch sein Zimmer zeigen, bevor er einzieht...«
Wie ein elektronischer Impuls, wie ein Blitz schossen die Worte durch meinen Kopf. Was hat schnell gewirkt? Einziehen? Ich wollte nur übernachten, nirgendwo einziehen. Das Nächste, was ich hörte war ein lautes Rufen, das von meiner Gastgeberin ausging: »Paul!«, diesen Namen schrie in den Flur hinein und kurze Zeit später wiederholte sie den Zuruf, der nun noch schriller klang: »Pauuuul! Komm schnell Paul, sonst ist er weg, bevor er sein Zimmer gesehen hat. Pauuuuuuul! Beeil Dich endlich, Du verdammter Nichtsnutz!«
Ich hörte ein Poltern, das von einer hölzernen Treppe zu kommen schien, die unter uns liegen musste. Jemand stürmte die Kellertreppe hoch, war meine Erklärung, die sich auch bewahrheiten sollte, denn kurze Zeit später stand ein riesiger Mann im Türrahmen. Zumindest meine Sinne funktionierten wieder etwas besser und ich konnte diesen Koloss klar erkennen. Er musste größer als 2 Meter sein, trug einen weißen Arztkittel, Gummihandschuhe und hatte eine grüne OP-Maske vor dem Mund. Seine fettigen schwarzen Haare hingen ungepflegt am Kopf herab und passten überhaupt nicht zum sauberen Kittel. Er trug schwere Armeestiefel und was mir am meisten Angst einjagte, war das blitzblanke Skalpell, das er in der rechten
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