Verfault 2 xinxii
Wachsfigurenkabinett ohne Wachs. Das Zimmer begann sich zu drehen und die Frau im Pelzmantel lachte mir ins Gesicht. Der Polizist blies in seine Trillerpfeife und der Jäger legte seine Flinte auf mich an. Ich verlor den Verstand und dies war das gnädigste, das mir wiederfahren konnte. Ich war bald unfähig, noch irgendetwas zu erkennen. Alles wurde schwarz vor meinen Augen, aber ich bemerkte noch, wie mich der Koloss erneut auf die Schulter warf und wieder hinabtrug.
Er trug mich in den Keller, um mich für die Sammlung seiner Mutter zu präparieren.
DIE WETTE
Es war eine verdammt dumme Wette gewesen, auf die sich Yanis damals eingelassen hatte, aber was macht man nicht alles für Dummheiten an einem bierseligen Abend. Es war in der Hinrunde der Saison 2011/2012 und Yanis hatte auf die Meisterschaft von PSG gewettet, die damals die Tabelle deutlich anführten. Er tat dies mit folgenden Worten: »Wenn PSG es diesmal wieder nicht schafft, verbringe ich eine Nacht alleine in den Katakomben!«
Nun ja, PSG schaffte es auch diesmal nicht und wurde in der Rückrunde von Montpellier überholt. Damit stand Yanis vor einem Problem! Seine Freunde drängten ohne Zögern darauf, seine Wette einzulösen und konnten sich selbst die dümmsten Kommentare nicht ersparen, um ihn anzuspornen. Schließlich galt auch in Frankreich der weltweite Grundsatz: Spielschulden sind Ehrenschulden! Pierre, der riesige Spaßvogel mit der ausgeprägten Stirn, der allerdings keiner Fliege was zu Leide tun konnte, schlug Yanis Folgendes vor: »In der Beinkammer La Passion liegt ein Schädel mit besonders hoher Stirn. Das muss mein Ur-Ur-Ur-Opa sein! Bestell ihm schöne Grüße!« Allgemeines Gelächter erfolgte und auch Yanis zwang sich ein heiseres Lachen ab, aber er war sich durchaus bewusst, dass er bis zur Einlösung der Wette, den Spott auf seiner Seite hatte.
Es galt also, sich auf die Einlösung dieser verrückten Wette vorzubereiten. Am nächsten Dienstagmorgen nahm er sich frei und fuhr mit der Metro Linie 4 zur Haltestelle Denfert-Rocherau, von der es ungefähr noch zwei Minuten bis zum Eingang der Katakomben waren. Er hatte vor, sich erst einmal umzusehen und zu schauen, wo er sich am besten verstecken konnte, wenn es soweit wäre. Der Eingang ins Reich der Toten, das so genannte Höllentor, bildete ein ehemaliges kleines Zollhaus, das in schwarzer Farbe gestrichen war. Für jede andere Touristenattraktion wäre dieses Häuschen sicherlich längst renoviert oder sogar komplett abgerissen und neu aufgebaut worden, aber hier passte der seltsame Eingang perfekt zur Szenerie. Die Schlange aus Besuchern, meist Touristen aus allen Ecken der Welt, war heute erstaunlich kurz und bald war Yanis an der Reihe, die acht Euro Eintritt zu bezahlen. Nach dem Eingang führte eine steile Wendeltreppe hinunter zu den Toten, von denen man aber zu Beginn noch nichts sah. Ein endlos scheinender Gang, der immer weiter hinab führte, leitete den Besucher schließlich in die erste von vielen Beinkammern.
Yanis war zwar nicht zum ersten Mal hier unten, aber ein seltsames Gefühl der Berührung ergriff ihn auch an diesem Tag. Hier unten lagen die Gebeine von 6 Millionen Leichen, von denen allerdings nur ein kleiner Teil der Öffentlichkeit zugänglich war. In den Beinkammern war zumeist eine Art Mauer errichtet, die nur aus Oberschenkelknochen und vereinzelten Schädeln bestand. Kunstvoll und akkurat aufeinandergeschichtet, als hätte man einen präzisen Steinwall angelegt. Warf man jedoch einen Blick hinter diese bizarre Mauer, entdeckte man einen unkoordinierten Haufen aus menschlichen Knochen, die lieblos aufeinander geworfen waren. Es war unmöglich zu
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