Verfault 2 xinxii
ersticken, so schoss sein Mageninhalt aus ihm heraus. Er kannte diesen Geruch im Ansatz, konnte ihn allerdings nicht einordnen. Dieser Gestank schien sich den Weg aus den Abgründen des vorstellbaren Ekels auszubreiten und endlich fiel ihm der Ursprung ein. Dies war der süßliche, schwere und nie zu vergessene Geruch von verwesendem Fleisch!
Er hielt sich die Hand vor Mund und Nase, um den Gestank so gut es ging fernzuhalten, aber es war zwecklos. Erst jetzt bemerkte er einige Veränderungen in seiner Umgebung. Das Licht der Notausgangbeleuchtung war einem flackernden und unregelmäßigen Schimmer gewichen, welches aus den Hauptgängen zu ihm hinüberleuchtete. Auch war es nicht mehr still, sondern zahlreiche Geräusche drangen an sein Ohr, das sich gerade erst an die Stille gewohnt hatte. Aus den Hauptgängen war dauerndes Poltern und eine Vielzahl von Stimmen zu hören. Das Poltern klang wie die wöchentliche Müllabfuhr, auch wenn es hier etwas leiser war. Vermischt war es mit dem schon erwähnten Klackern, das Yanis Stunden zuvor wahrgenommen hatte. Die Stimmen waren nicht im Einzelnen zu unterscheiden, aber männlichen Ursprungs und bestanden hauptsächlich aus lauten Rufen, Fluchen und derbem Lachen.
Yanis brauchte einige Zeit, um die Eindrücke zu verarbeiten und vermutete anfangs, dass irgendeine perfide Party in den Katakomben gefeiert wurde. Dieser unerträgliche Gestank sprach jedoch eindeutig gegen jedes Vergnügen. Er trat ein wenig aus seiner Nische hervor und schaute Richtung Hauptgang. Der beschriebene Lichtschein war deutlicher zu erkennen und schien von Fackeln herzurühren. Die Verwirrung, die Yanis schwanken ließ, hatte noch lange nicht ihren Höhepunkt erreicht, als er eine kräftige Stimme hinter sich hörte: »Junge! Was faulenzt Du hier? Hier gibts keine Pause. Los, an die Arbeit!«
Es war eindeutig französisch, aber in einem seltsamen, ihm fremden Dialekt gesprochen. Yanis drehte sich abrupt um und entdeckte eine hagere Gestalt, die eine Fackel in der Hand hielt, deren Flamme das Gesicht seines Gegenübers in verschiedenste Rottöne tauchte. Der Mann trug eine völlig verdreckte Hose, die bis übers Knie reichte. Überall sah man braune, rötliche und schwarze Flecken, sodass es fast ein Tarnmuster ergab. Sein Hemd, welches aus Leinen zu bestehen schien und ebenso dreckig wie die Hose war, besaß einige Löcher und hatte zwei unterschiedlich lange Ärmel. Eine kräftige Hand hielt die Fackel, die er nach vorne streckte, um Yanis besser sehen zu können.
»Hast Du die Sprache verloren? Auf, auf, es geht weiter!«
»Wer sind Sie?«, war alles, was Yanis spontan einfiel.
»Wer ich bin? Ich bin Dein Vorarbeiter, und wenn Du deinen Lohn erhalten willst, spute Dich gefälligst!«
Yanis schaute erstaunt in sein verrußtes Gesicht, das einige Narben zierte und als auffälligstes Merkmal zwei unterschiedlich große Ohren besaß.
»Entschuldigen Sie, aber hier liegt ein Missverständnis vor! Ich arbeite hier nicht und möchte raus hier. Ich kann ...«
»Halt Deine Schnauze und mach´ Dich endlich an die Arbeit. Los, geh, sonst lernst Du mich kennen!«
Der Fremde fuchtelte mit dem Feuer vor ihm herum und deutete in Richtung Hauptgang. Yanis stolperte einige Schritte nach hinten und versuchte erneut, seinen Gegenüber von dem Irrtum zu überzeugen: »Verstehen Sie denn nicht, ich gehöre hier nicht her. Ich will nur nach oben!«
»Ja, ja. Schon gut. Alle wollen hier raus.« Er kam näher und der Rauch der Fackel biss in Yanis Augen und Nase. Yanis blieb nichts anderes übrig als zurückzuweichen und stand Sekunden später im Hauptgang in der Beinkammer La Passion. Aber der Raum hatte sich verändert: Das aus Knochen gebildete Fass war ebenso wenig vorhanden, wie
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