Verfault 2 xinxii
und wären ein wunderbarer Wegweiser, wenn es einen Rückweg gäbe. Aber den gab es nicht.
Die Schockwelle eines ungeahnt heftigen schnellen Sonnenwindes erreichte die Station, als ich gerade mit Reparaturarbeiten an einem der Kollektoren beschäftigt war. Ich befand mich genau an der dem Sturm abgewandten Seite und hatte dadurch noch Glück, dass ich nicht unmittelbar von Partikeln getroffen wurde. Wenn es wirklich Glück war, denn genauso konnte man es auch als Pech bezeichnen. Da ich am Ausfahrmechanismus des Kollektors arbeitete, und mich dazu samt Raumanzug in die kleine Luke des Wartungsschacht zwängen musste, hatte ich mich erst Sekunden zuvor vom Sicherungsseil befreit, da es sich im Schacht nur verheddern würde und ein effizientes Arbeiten unmöglich machte. Normalerweise ist es absolut unwahrscheinlich, aus diesem Schacht herausgeschleudert zu werden, aber Ausnahmen bestätigten die Regel. Und solch eine Einzelfall, sowie die Aneinanderreihung von misslichen Umständen, geschahen im Moment der Kollision. Als die Schockwelle des koronaren Massenauswurfs die Station traf, passierten mehrere Dinge zu meinem Nachteil.
Die gesamte Forschungsstation begann zu zittern und wurde erschüttert. Ich weiß nicht, ob es primär am Sonnenwind oder am Versagen von Geräten lag, die die Anlage durchschüttelte, als wäre sie ein alter Mixer. Jedenfalls reichte es aus, um mir einen Schlag zu versetzen, der mich durch den Schacht schleuderte. Zugleich gingen alle Lichter der Station aus, da der Strom komplett ausfiel. Ich prallte mit dem Versorgungsrucksack, der Antriebsdüsen, Wasserversorgung und Sauerstoffzubereitung enthielt, rückwärts gegen einen Teil des Kollektorfußes und merkte sofort, dass etwas beschädigt wurde. Das Display, das im Visier des Helms integriert war, leuchtete rot blinkend auf und wies auf eine »Malfunction« des Antriebssystems hin. Der spitze Haltemechanismus des Kollektorarms hatte sich vermutlich gelöst und in meinen Rucksack gebohrt, wie ein Dosenöffner in Blech. Dieses Ding schien an meinen Rucksack zu ziehen und hielt mich dadurch für einige Sekunden fest, bis eine erneute Vibration der Station erfolgte. Der Versorgungseinheit, die beinahe untrennbar mit dem Raumanzug verbunden war, wurde durch diesen Ruck befreit und da ich im selben Augenblick versuchte mich wegzudrücken, bekam ich einen Schub nach hinten versetzt. Ehe ich reagieren konnte, glitt ich durch die Luke nach draußen ins offene Weltall. Verzweifelt versuchte ich noch, mich irgendwo festzuklammern, aber die klobigen Handschuhe ließen an den dicken Kollektorrohren keinen Griff zu und ich rutschte mehrmals an ihnen ab.
Ich betätigte geistesgegenwärtig die Bedienelemente der Antriebsdüsen, die wie alle Instrumente des Anzuges samt Rucksacks, an einem flexiblen Stativ vor meinem Bauch befestigt waren und an die Miniaturausgabe eines Flugzeugcockpits erinnerten. Groß genug allerdings, um sie auch mit den Handschuhen leicht bedienen zu können. Meine Befürchtungen bestätigten sich! Nichts tat sich nach Betätigung und aus keiner der 6 Steuerdüsen, die rings um meinen Anzug angeordnet waren, strömte die erhoffte Druckluft, mit deren Hilfe ich hätte steuern können. Ich geriet in Panik, strampelte mit Armen und Beinen wie ein Nichtschwimmer im Wasser und schrie meine Verzweiflung heraus. Gleichzeitig versuchte ich Kontakt mit der Station aufzunehmen, aber nichts führte zum Erfolg. Ich erhielt keine Antwort meiner Kollegen und hörte nur ein ganz schwaches Piepen, das entweder aus meinen Ohrstöpseln kam oder ein durch Panik entstandener Tinnitus
Weitere Kostenlose Bücher