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Verflixtes Blau!

Verflixtes Blau!

Titel: Verflixtes Blau! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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Auslese sowohl außergewöhnlich neugierig als auch stets entschlossen war, sich dessen nicht beschuldigen zu lassen.
    Der Farbenmann trat rückwärts durch das schmiedeeiserne Tor, wobei er seinen Holzkoffer hinter sich herzog, der fast so groß war wie er selbst.
    Henri merkte, wie sich ihm die Nackenhaare aufstellten, und er wünschte, er wäre vom Malen nicht so abgelenkt gewesen, dass er das Trinken vergessen hatte, denn er hätte einen Cognac brauchen können, um seine Nerven zu beruhigen. Jetzt beugte er sich zu seiner Leinwand vor und tat, als arbeitete er pedantisch am Rand, obwohl er eigentlich nur sehr selten so nah vor der Leinwand saß und außerdem langstielige Pinsel bevorzugte.
    » Monsieur!«, rief der Farbenmann und überquerte die Straße, wobei ihm der große Koffer an die Hacken schlug. » Kennt Ihr mich noch von der Avenue de Clichy? Monsieur, kann ich Euer Interesse für meine Farben wecken? An Eurem prächtigen Hut sehe ich, dass Ihr ein Mann mit Geschmack seid. Ich habe nur die feinsten Erden und Minerale, nicht dieses nachgemachte, preußische Zeug.«
    Henri blickte von seinem Gemälde auf, als holte man ihn aus einem Traum. » Ach, Monsieur, ich habe Sie gar nicht gesehen. Um ehrlich zu sein, weiß ich heute nicht um den Inhalt meines Farbenkastens. Vielleicht könnte ich tatsächlich etwas brauchen.« Henri holte seinen Kasten unter der Staffelei hervor, löste die Riegel und klappte ihn auf. Ganz wie beabsichtigt, erinnerte der Anblick an einen trübsinnigen Friedhof zerdrückter Tuben– krumme Opfergaben an die Schönheit.
    » Ha!«, sagte der Farbenmann. » Ihr braucht alles!«
    » Ja, ja, die ganze Palette«, sagte Henri. » Und je eine große Tube Bleiweiß, Elfenbeinschwarz und Ultramarin.«
    Der Farbenmann hatte seinen Koffer aufgeklappt, hielt jedoch inne. » Ich habe keine große Tube Ultramarin, Monsieur. Nur eine sehr kleine.« Seine Augen saßen so tief in ihren Höhlen, dass Henri sich bücken musste, um erkennen zu können, welcher Ausdruck darin lag, denn aus der Stimme des Farbenmannes sprach Bedauern. Nicht gerade das, was Henri erwartet hatte.
    » Macht nichts, Monsieur«, sagte Henri. » Ich nehme, was Sie haben. Eine kleine Tube ist auch gut. Wenn ich mehr Blau brauche, kann ich immer noch…«
    » Nicht diesen preußischen Dreck!«, bellte der Farbenmann.
    » Ich wollte sagen, ich kann immer noch Standöl nehmen und das bisschen, das ich habe, weiß lasieren.«
    Der Farbenmann neigte den Kopf. » Das macht doch keiner mehr. Das ist völlig unzeitgemäß. Ihr Jungspunde tragt die Farbe mit der Kelle auf. So macht man das heutzutage.«
    Henri lächelte. Er dachte an Vincents bewusst brachiale Palettenmesserbilder, deren Farben so dick aufgetragen waren, dass sie ein halbes Jahr brauchten, um zu trocknen, selbst im heißen Süden. Bei dem Gedanken an Vincents Brief verfinsterten sich seine Gedanken allerdings. Der Farbenmann war in Arles gewesen.
    » Nun«, sagte Henri, » lieber unzeitgemäß, als den preußischen Dreck zu verwenden.«
    » Ha! Ja«, sagte der Farbenmann. » Oder dieses synthetische Zeug, das sie Französisches Ultramarin nennen. Egal, was die Leute sagen, es ist nicht dasselbe wie das Blau vom Lapislazuli. Es ist nicht das Heilige Blau. Ihr werdet es sehen. Ihr findet keine feinere Farbe, Monsieur.«
    In dem Moment, als er die Tuben im Koffer sah, wuchs das Pentimento vor Henris innerem Auge zu einem klaren, deutlichen Bild heran. Er hatte die beiden einmal zusammen gesehen, draußen vor seinem Atelier, Carmen und den Farbenmann. Wie konnte er das vergessen? » Offen gesagt, habe ich Ihre Farben schon verwendet. Sie erinnern sich vielleicht?«
    Der Farbenmann blickte von seinem Koffer auf. » Ich glaube, ich würde mich erinnern, wenn ich einem Zwerg etwas verkauft hätte.«
    Da hätte Henri dem kleinen Krüppel am liebsten mit seinem Gehstock den Schädel eingeschlagen, doch er beruhigte sich so weit, dass er ihn anfahren konnte: » Monsieur, ich bin kein Zwerg. Ich bin volle sieben Zentimeter größer, als nötig wäre, um als Zwerg zu gelten, und ich verbitte mir derartige Unterstellungen.«
    » Verzeihung, Monsieur. Mein Fehler. Dennoch würde ich mich daran erinnern, wenn ich Euch etwas verkauft hätte.«
    » Ihre Farbe wurde von einem Mädchen erworben, das für mich Modell stand, eine gewisse Mademoiselle Carmen Gaudin. Vielleicht erinnern Sie sich.«
    » Etwa eine Dienstmagd? Meine hat gestern gekündigt.«
    » Möglicherweise haben Sie ihr zu

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