Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
Foto, das er heimlich von Isa gemacht hatte. Es gab nur einen Eintrag an seiner Pinnwand, der neuer war. Mika hatte ihn selbst geschrieben. Isa hat sich umgebracht! Ist es das, was du gewollt hast?
Saschas Profil bei Facebook war öffentlich. Jeder konnte lesen, was er und seine Freunde dort schrieben. Überhaupt, diese Freunde. Viele waren es nicht gewesen. Knapp dreißig. Nachdem Mika blöderweise die Nachricht von Isas Selbstmord an Saschas Pinnwand genagelt hatte, waren es innerhalb eines Tages nur noch acht gewesen. Ratzfatz. Beinahe alle, die Isa fertiggemacht hatten, hatten ihre Kommentare gelöscht und sich klammheimlich von Saschas Freundesliste gestrichen. Kein Wort des Bedauerns, keine Entschuldigung, kein Entsetzen. Nur Schweigen. Die Kommentare, die übrig geblieben waren, waren die eher harmlosen. Und Mika hatte sich eine doofe Kuh gescholten. Warum hatte sie sich nicht vorher die Namen aufgeschrieben? Oder einen Screenshot gemacht? Denn so hatte sie nur acht Leute nach Sascha fragen können. Wer war er? Alle hatten geantwortet. Keiner kannte ihn persönlich oder verfügte über Kontaktdaten. So, als ob der Kerl nur in der virtuellen Welt Freunde hatte und nicht im richtigen Leben.
Drei Wochen vor ihrem Selbstmord hatte Sascha Isa auf Facebook eine Freundschaftsanfrage geschickt. Hi, Isa. Dein und mein Musikgeschmack sind kompatibel, und ein Fan von Dr. House bin ich ebenfalls. Wenn das kein Zeichen ist?
Keine Folge dieser Serie hatte Isa sich entgehen lassen. Sie besaß die DVD-Boxen aller Staffeln. Natürlich hatte Sascha damit offene Türen bei Isa eingerannt. So hatte es angefangen. Das wusste Mika längst, denn Isa hatte es ihr natürlich erzählt. Und wenn sie herausfinden wollte, wer er war, um ihn ans Licht der Öffentlichkeit zu zerren, dann musste sie jetzt die Nachrichten lesen. Es waren die einzigen, die es noch gab.
Wieder einmal betrachtete sie Saschas Profilbild. Er hatte es aus dem Netz geklaut. Ein Bild von Jesse Spencer, der in der Serie Dr. Chase spielte. Sascha war ein Phantom, und einen Moment lang erschien es Mika, als ob er sich nur zu einem Zweck bei Facebook angemeldet hatte: um Isa fertigzumachen.
26
In Daniels Wohnung stand die Hitze wie eine Wand. Die Sonne brannte durchs Fenster herein. Die Luft war stickig und staubig. Dühnfort öffnete die Balkontür und ging hinaus. Zwei weiße Plastikstühle. Ein Trockengestell für Wäsche lehnte zusammengeklappt an der Brüstung.
Unten lag die Straße ruhig und friedlich in der Mittagshitze. Über ihm kratzte ein Flugzeug einen weißen Streifen in den Himmel. Dühnfort wartete ein paar Minuten, bis er das Zimmer wieder betrat. Nun war die Temperatur erträglicher. Bei seinem ersten Besuch hatte er nach Ecstasy gesucht. Darauf war sein Blick fokussiert gewesen. Nun versuchte er sich frei zu machen. Er suchte nichts Bestimmtes. Er suchte einen Hinweis darauf, warum Daniel sterben musste. Drogen, krumme Geschäfte, verletzte Gefühle, Neid. Es konnte beinahe alles sein.
Rache, Hass, Eifersucht, Gier. Meist ging es darum. Um überbordende Gefühle oder ums kalte Geld.
Er begann mit der Schlafecke und schob den Paravent mit der Skyline von New York beiseite, um mehr Licht und mehr Platz zu haben. Wieder fiel ihm das gerahmte Bild auf. Mika und Daniel. Sie, die Abiturientin aus vermögendem Elternhaus. Er, der elternlos aufgewachsene Junge mit Hauptschulabschluss und einer Jugendstrafe. Wie hatte das zusammengepasst? Nun ja. Es hatte ja nicht gepasst. Mika hatte sich von Daniel getrennt. Weshalb, das hatte dieser nicht verstanden. Unzählige SMS belegten das. Dühnfort entfernte die Rückwand des Bilderrahmens. Dahinter befand sich nichts, außer der Fotografie. Er arbeitete systematisch. Sah in jeden Winkel, in jede Ecke, in jede Ritze. Vom Sideboard nahm er jede DVD- und CD-Hülle und öffnete sie. Zwischen den Seiten der wenigen Bücher, die Daniel besessen hatte, fand sich nichts. Auf dem Tisch lag ein Sammelsurium an Zetteln. Dühnfort besah sich jeden. Tankquittungen. Kassenbons. Zwei Eintrittskarten fürs Kino vom Februar. Er blätterte etliche Autozeitschriften durch. Unterm Sofa entdeckte er zwei Pornomagazine mit abgegriffenen Seiten. Die harmlose Sorte.
Im Schrank befand sich Kleidung und Wäsche. Auf einem Fachboden lag eine zusammengefaltete Tragetasche aus dickem Lackpapier, wie man sie in teuren Boutiquen bekam. Sie trug die Initialen LV für Louis Vuitton. Dühnfort faltete sie auseinander. Das Seidenpapier darin
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