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Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)

Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)

Titel: Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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kam. Kirstens Haltung wurde abwehrend. »Kathrin ist dreizehn.«
    Natürlich. In der Pubertät wurden Grenzen ausgelotet, wurde all das ausprobiert, was verboten war. »Sicher genießt sie ihre Freiheit.«
    »Sie lebt nicht bei mir. Sie besucht ein Internat.«
    »Aber doch nicht in den Ferien?« Die Frage war ihm sofort peinlich. Sie war indiskret. Es ging ihn nichts an.
    »Ihre Ferien verbringt sie bei den Eltern meines verstorbenen Mannes. Sie wünscht keinen Kontakt zu mir.« Kirsten blickte auf die Uhr. »Trotzdem ist es Zeit, heimzugehen.«
    Gleichermaßen verwundert wie erschüttert wünschte er ihr einen schönen Abend und sah ihr noch einen Moment nach. Das Drama in ihrem Leben lag nicht hinter ihr, es schien sich im zweiten Akt zu befinden. Die Tochter wollte mit der Mutter nichts zu tun haben. Die Ferien verbrachte sie bei den Eltern des Mannes, der ihre Mutter als Geisel genommen und sich in ihrer Gegenwart erschossen hatte, weil sie ihn verlassen wollte. Kreidete sie diese Tragödie etwa ihrer Mutter an? Dann hatte Kirsten nicht nur den Mann verloren, sondern auch die Tochter. Warum kämpfte sie nicht um sie?
    Doch wer sagte, dass sie das nicht tat?
    Während er nach Hause ging, die Fußgängerzone passierte, dem Viktualienmarkt einen Besuch abstattete und Brot und Käse kaufte und ein paar Oliven, während er durch den Sommerabend schritt, der golden war und die Stadt mit flirrendem Licht überzog, begann die Unruhe wieder zu erwachen, sich durch seine Adern zu schlängeln, in seinem Innersten zu rumoren und sich schließlich in sein Bewusstsein zu arbeiten: Etwas stimmte nicht.

55
    Die Sonne sandte ihr goldenes Licht durch das Fenster bis zu Simons Bett. Alois sah das Leuchten und erschrak. Es war beinahe überirdisch. Er konnte seinen Blick nicht abwenden, ließ sich blenden, bis er, als er endlich die Augen schloss, selbst nur noch gleißende Helligkeit sah. Das weiße Licht, von dem man sagte, es sei das Letzte, das man wahrnahm. Es kam ihm vor wie ein Zeichen. Alles in ihm stemmte sich gegen diesen Gedanken, warf sich ihm mit verzweifelter Kraft entgegen, wollte ihm die Tür verschließen. Doch er zerteilte sich, floss in tausend Ströme gefächert einfach hindurch, sickerte ein, wie Quecksilber: Wenn Simon starb?
    Das Chaos um ihn herum bestand nur noch aus Tönen. Elektrisches Fiepen. Quietschende Sohlen. Hektische Kommandos. Kurze Befehle. Sauerstoff! Nitro! Das Tschung des Defibrillators. Genau wie er es kannte, wie er es von Anfang an befürchtet und vielleicht dadurch heraufbeschworen hatte. Durch seine Angst, durch seinen Mangel an Vertrauen. War er schuld? Tschung! Dieses unverkennbare Tschung . Tausend Volt jagten durch Simons kleinen Körper. Tschung. Tausend Volt. Bitte! Lieber Gott! Bitte! Evi, die lautlos neben ihm stand, ihre Hand, die sich kalt und feucht in seiner verkrampfte. Evi, die zu atmen vergaß, während ihr Herz trommelnd in ihrer Brust schlug. In Simons Brust herrschte die Stille einer verlassenen Kathedrale.
    Jemand berührte ihn an der Schulter. Er öffnete die Augen. Eine Schwester. Sie können hier nicht bleiben. Ich begleite Sie hinaus. Er bestand nur noch aus Angst und aus Hoffen. Er hatte keinen Willen mehr und ließ sich führen.
    Zeit war nicht mehr Zeit, sie dehnte sich ins Unendliche, riss schnalzend wie ein Gummiband, schoss zurück, krümmte sich, regnete in Millionen Würmern herab. Evis Nägel gruben sich in seine Handflächen. Bitte! Lieber Gott! Bitte! Lass ihn leben. Wir werden heiraten, eine richtige Familie sein. So wie er sich das schon immer wünscht. Bitte! Wenn du ihn nur leben lässt! Dieser Gedanke ließ ihn ein wenig ruhiger werden. Die Geräusche aus Simons Zimmer verloren an Hektik, wurden zum Stampfen einer Maschine, die im gleichmäßigen Hin und Her des ewig selben ihre Arbeit verrichtete.
    Er hatte Gott einen Deal angeboten. Durfte man das? Er hob den Kopf, sah an die Wand. Sein Blick fiel auf einen gerahmten Spruch, der dort hing. Ein Kalligraph hatte ihn schwungvoll mit Tusche und Feder auf Papier gebannt.
    Es gibt keine Hintertüren für Glück und Unglück im Schicksal des Menschen. (Konfuzius)

56
    Als Mika nach Hause kam, war es dunkel. Mam saß auf der beleuchteten Terrasse, ein Glas Champagner vor sich auf dem Tisch. Sicher nicht das erste. Champagner beruhigte ihre Nerven. Heute gab es jede Menge zu beruhigen. Die Polizei hatte das Haus durchsucht. Phillip dealte und saß im Knast. Papa war in China und bekam nicht mit, was hier

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