Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
Mam war der Situation gewachsen. Sie hatte einen Anwalt engagiert. Sie würde Phillip da rausholen, und sie würde diese ganze beschissene Drogengeschichte für sich und Phillip und damit für das Bild der Familie Eckel relativieren. Das konnte Mam richtig gut. Sie musste nur an zwei Schräubchen drehen. Auf der einen Seite einfach Phillips Verantwortung kleinreden und sie Christian zuschieben. Der arme Phillip war manipuliert und seine Freundschaft ausgenutzt worden. Er war das Opfer, nicht der Täter. Und auf der anderen Seite würde sie Christian abwerten und ihn verunglimpfen. Sie würde kein gutes Haar an ihm lassen, obwohl sie ihn nicht kannte, würde ebenso uferlose wie haltlose Vermutungen über seine Lebensumstände, seine Erziehung, seine Eltern und seinen Umgang anstellen. Und schon passte es. Nur, Christian abzuwerten würde ihr nicht so leichtfallen. Er stammte offenbar aus einer guten Familie. Mika hatte das gegoogelt, und Mam ganz sicher auch. Bei ihm konnte sie keine asozialen Verhältnisse anführen. Bei Daniel war das einfacher gewesen. Aber Mam würde das schon hinkriegen. Sie würde etwas finden, auch wenn da nichts sein sollte. Da war sich Mika sicher.
»Hier, zieh das an.« Mam kehrte zurück. In einer Hand ein Glas mit Wasser, in der anderen eine leichte Strickjacke aus einem Baumwollseidengemisch. Am liebsten hätte Mika sie in den Pool gepfeffert. Doch sie schlüpfte hinein, während ihre Mutter ein Aspirin ins Wasserglas fallen ließ und es ihr reicht. Mika lehnte ab. »Ist nicht nötig. Alles in Ordnung. Ich gehe rein.«
»Setze dich doch noch ein bisschen zu mir.«
Danke. Wirklich nicht. Dann würde Mam anfangen, an den Schräubchen zu drehen. Und Mika hatte keine Lust, sich Tiraden über diesen Christian anzuhören, den weder sie noch Mam je getroffen hatten. Und ebenso wenig war sie scharf darauf, zuzuhören, wie Mam Phillip ein Opfermäntelchen strickte. Masche für Masche. Zwei links, zwei rechts. Wirklich nicht. »Ich wollte einen Eintrag auf Isas Trauerwebseite machen. Vielleicht komme ich noch mal runter, wenn ich damit fertig bin«, fügte sie versöhnlich hinzu. Irgendwie tat Mam ihr auch leid.
»Mika, das ist nicht gut. Das muss mal ein Ende haben. Du kannst Isa nicht ewig betrauern. Das Leben geht weiter, und sie war nichts Besonderes. Wirklich nicht.«
Mit diesen Worten schaffte Mam es! Sie vertrieben diese Schwere aus Mikas Innerstem, von der sie nicht wusste, woher sie kam. Wut kochte hoch. Jetzt kamen die Worte wie Pfeile. »Wie kannst du so etwas sagen! Sie war meine Freundin. Sie war etwas Besonderes! Durch und durch! Und mehr, als du es jemals sein wirst. Denn Isa war Isa. Sie war sie selbst. Und du bist nur ein Abziehbild aus einer Glamourzeitung.«
Wütend knallte Mika die Tür hinter sich zu und hielt die Tränen zurück. Der Laptop war noch an. Sie ging auf die Trauerseite und machte den Eintrag. Es war nicht viel. Nur ein paar Zeilen, die Lukas gestern noch zitiert hatte und die sie tief berührten. Wir sind von solchem Stoff, wie Träume sind, und unser kleines Sein umschließt ein Schlaf.
Sie stammten von Shakespeare, waren also Hunderte Jahre alt und drückten dennoch das aus, was Mika fühlte. Alles war flüchtig, alles verging, nichts war beständig. Alles war Sand.
Das Leben geht weiter. Ein typischer Mam-Spruch. Obwohl sie auch irgendwie recht damit hatte. Niemand hatte die Zeit angehalten, in der Sekunde, als Isa starb. Sie alle mussten damit fertig werden, dass Isa nicht mehr war. Auch Lukas. Um ihn machte Mika sich langsam Sorgen. Er kam nicht heraus aus seiner Trauer. Ganz im Gegenteil. Er verwuchs immer mehr mit ihr. Sie umschlang ihn wie Efeu den alten Baum auf dem Friedhof.
Nachdem sie den Browser geschlossen hatte, blieb sie im Dunkeln sitzen. Wenn Isa doch nur nicht ihren Laptop mit in die Badewanne genommen hätte. Doch sie hatte nicht gewollt, dass jemand die Mails las, die sie mit Sascha nicht über Facebook, sondern über ihren privaten Account getauscht hatte. Wasser war eine sichere Sache. Die Mails waren für immer verloren. Sie schob den Stuhl zurück und stand auf.
Obwohl?
Plötzlich fiel ihr ein, dass Phillip ihr mal erklärt hatte, wie das funktionierte. Alle Mails landeten erst einmal auf dem Mailserver des Providers. Erst wenn man sein Mailprogramm startete, verband dieses sich mit dem Server und holte dort die elektronische Post ab. Je nachdem, welche Einstellungen man gewählt hatte, wurden die Mails im Server nach dem
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