Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
Wieder erreichte er nur Anrufbeantworter und Mailbox. Herrgott! Was sollte das? Doch der Ärger wich schnell einer diffusen Angst. Simon war doch auf dem Weg der Besserung. Das hatte Alois gesagt. Vielleicht ein Rückfall? Er wollte sich das nicht vorstellen und tat es doch. Ein Krankenhausbett, darin Simon, ganz bleich, von Apparaten umgeben. Fiepende Geräte, blinkende Kurven, Infusionsständer, Nadeln, Kanülen. Wenn ich sein Vater wäre, ich würde wahnsinnig werden vor Angst, dachte Dühnfort.
Er sah zuerst ins Büro von Alois und Kirsten. Sie war da und fragte prompt nach ihm. Es gelang ihr nicht, ihn zu erreichen. Dühnfort zog die Schultern hoch. »Er wird der Ecstasyspur nachgehen. Vermutlich hat er keinen Empfang oder der Akku ist leer. Ist uns allen schon mal passiert.«
Er sah, wie sie eine Bemerkung herunterschluckte, die ihr bereits auf den Lippen lag. Nun gut, lassen wir das, schien sie damit sagen zu wollen. »Ich habe mit Senftleben telefoniert, dem Bauleiter in Unterhaching, und auch mit dem Architekten. Keiner der beiden kennt Dettmann. Er hat weder ein Angebot für ein Gewerk abgegeben noch sich darum bemüht. Was hatte er am Tatort zu suchen? Das sollten wir herausfinden.«
»Vielleicht gibt es eine Verbindung über Daniel. Wissen wir schon, woher er und Dettmann sich kennen?«
»Meo hat noch nichts gefunden. Weder in Daniels PC noch in seinen Mail- und Handydaten taucht der Name Dettmann auf, und umgekehrt. Ich vermute mal, sie kennen sich über die Drogengeschichte. In diesem Punkt war Daniel äußerst vorsichtig. Das scheint wirklich alles über persönliche Kontakte gelaufen zu sein. Wir sollten Phillip Eckel und seinen Freund fragen.«
Es gelang Dühnfort nicht, sich Dettmann im Van Gogh vorzustellen. Zu alt und das Gegenteil von stylish. Jedenfalls würde man sich an ihn erinnern, falls er Daniel dort getroffen hatte.
»Darf man das Tête-à-Tête mal kurz stören?« Mit diesen Worten schob Buchholz sich zur Tür herein. »Ich habe gute Nachrichten: Dettmann ist definitiv euer Mann. Die DNA an den Kippen stammt von ihm.«
58
Im Hofoldinger Forst war es schattig. Fichten und Buchen reckten sich in den Himmel. Es roch nach den Sommern seiner Kindheit. Nach Rinde und Gräsern, nach Wind und Sonne, nach unbeschwerter Freiheit.
Alois folgte der Wegbeschreibung von Christian, der auf dem Beifahrersitz saß, und bog auf einen schmalen, kiesigen Weg ab. Peißer Geräumt. So stand es auf einem Hinweisschild aus Holz, das jemand an einen Baum genagelt hatte. Mehr als Schrittgeschwindigkeit war nicht drin, dennoch krachte ab und zu ein Stein gegen die Karosserie. Im Stillen beglückwünschte Alois sich zu der Entscheidung, einen Wagen aus dem Fuhrpark zu nehmen und nicht seinen Mini. Etwas in der Art hatte er geahnt.
Es ging immer tiefer in den Forst hinein. Zweimal bogen sie noch ab, dann mussten sie zu Fuß weiter. Alois legte Christian Handschellen an. Derart geschmückt würde er keinen Fluchtversuch unternehmen.
Ein schmaler Trampelpfad führte durchs Unterholz. In die Stille drangen das entfernte Brummen der Autobahn, die den Forst durchschnitt, das Summen einer Hummel und ab und zu das Knacken eines trocknen Zweiges, der unter ihren Sohlen zerbrach. Christian hielt den Mund, und dafür war Alois ihm dankbar. Der gestrige Abend und die folgende Nacht saßen ihm noch in den Knochen. Evis Anruf. Evi, sonst die Ruhe selbst, war in Panik. Worte, die erst keinen Sinn ergeben wollten. Simon geht es schlecht. Rhythmusstörungen. Er wird vielleicht … Du solltest kommen. Mit Blaulicht war er zum Krankenhaus gedüst. Die Hektik der Ärzte … die hatte ihm am meisten Angst gemacht. Sie hatten das nicht im Griff. Und dann das goldene Licht, das ihm wie ein Vorbote des Todes erschienen war. Bei der Erinnerung daran stellten sich die Härchen an seinen Unterarmen auf. Sein Deal mit Gott! So verzweifelt lächerlich. Er war zwar getauft, aber er war nicht gläubig, und nun hatte er einen Deal mit Gott, an den er eigentlich nicht glaubte. Doch niemand, der eine katholisch-oberpfälzische Erziehung durchgemacht hatte, würde es jemals schaffen, so ganz und gar nicht an Gott zu glauben. Musste er nun zu dem Deal stehen und Wort halten? Wenn es Gott nicht gab, dann gab es keinen Partner für den Handel. Falls aber doch?
Mist. Er wälzte total lächerliche und kindische Gedanken. Er konnte Simon nicht die Familie geben, die er sich wünschte. Er konnte Evi nicht heiraten. Er liebte sie nicht. Er
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