Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
geht er auf Tour, um sich vor unliebsamen Überraschungen zu schützen. Er ist auf Bewährung und hat viel zu verlieren. Wir unternehmen jetzt einen Versuch, ihn zum Reden zu bringen.« Wobei er sich nicht allzu große Hoffnungen machte. Dettmann wollte nicht aussagen, und Dühnfort hatte selten einen Anwalt erlebt, der seinem Mandanten riet, reinen Tisch zu machen. Es sei denn, es gab etwas zu gewinnen. Sie mussten ihm klarmachen, dass sich ein Geständnis strafmildernd auswirkte. Vielleicht reichte die Munition, die sie bisher hatten, dafür aus, vielleicht auch nicht. Schauen wir mal, dachte Dühnfort.
»Demnach hätte Dettmann Daniel nicht in die Baustelle gelockt.« Kirsten ließ nicht locker. Sie drehte sich mit dem Bürostuhl um. »Daniel muss etwas gehört haben, ist neugierig reinmarschiert und wurde wegen acht Rollen Dämmstoff erschossen, von einem Dieb, der bis unter die Zähne bewaffnet ist? Ich meine, das hier ist München und nicht die Bronx.«
Ihm gefiel das ja auch nicht. Aber aus einem anderen Grund. Bei Dettmann war kein Ecstasy gefunden worden. Woher hatte er die Weißen Mitsubishi? Weshalb trug er eine solche Menge während einer Diebestour bei sich? Unzählige Fragen waren offen.
Doch wenn man das Ganze umdrehte und zum ursprünglichen Szenario zurückkehrte, dass Daniel in eine Falle gelockt worden war und sie mit Ecstasy und Geld auf eine falsche Fährte, dann zeichnete sich plötzlich ein anderes Bild ab. Dettmann hatte sich mindestens anderthalb Stunden am Tatort aufgehalten. Hatte er diese Zeit zum Klauen genutzt, während er darauf wartete, einen Mord zu begehen? Passte das? War Dettmann derart kaltblütig?
Bei diesem ursprünglichen Szenario fehlten ihnen nach wie vor das Motiv und die Verbindung zu Daniel. Beim alternativen Szenario nicht. In diesem Fall hatte Dettmann Daniel erschossen, um mit seinen Diebstählen nicht aufzufliegen. Dann war der Junge einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen.
Dühnfort zog das Handy hervor, rief Thomas Holtmann an und fragte, was sich bei der Suche nach der Waffe tat.
»Ich wollte dich grad anrufen. Fehlanzeige. Hier im Haus ist sie nicht und auch nicht auf dem Grundstück.«
Mist! Dühnfort bedankte sich für den Einsatz und legte auf.
»Keine Waffe?« Es war halb Frage, halb Feststellung. »Was machen wir nun?«
»Nachdenken.« Die Unruhe war wieder da. Etwas passte nicht zusammen.
»Nachdenken?«
Plötzlich hatte Dühnfort es. Es gab eine dritte Möglichkeit.
65
Kurz vor neunzehn Uhr erschien Wolfgang Scharfenberg in Dühnforts Büro. Er war seit fünfunddreißig Jahren Anwalt für Strafsachen und hatte nur noch einige Jahre bis zum Ruhestand. Ein akkurat geschnittener weißer Haarkranz umgab den schmalen Schädel, helle Augen lauerten wach hinter einer Brille mit breitem rotem Rand. Weißes Hemd, stahlgrauer Anzug, gestreifte Krawatte, ein angenehmer Händedruck. Dühnfort hatte hier schon Anwälte in Jeans und T-Shirt herumlaufen sehen. Scharfenbergs Auftreten war ein Statement, ihn nicht zu unterschätzen.
»Eigentlich wollte ich heute Abend eine Veranstaltung des Literaturhauses besuchen.«
»Das tut mir leid«, entgegnete Dühnfort.
Sie gingen ins Vernehmungszimmer. Dühnfort rief Kirsten dazu und ließ Dettmann bringen.
Als Kirsten eintrat und Dühnfort sie Scharfenberg vorstellte, wurden dessen Schultern unwillkürlich gerader, straffte sich der Oberkörper. Ein erfreutes Lächeln, ein Händedruck, der ein wenig länger dauerte als nötig. Erstaunlich, welche Wirkung sie auf Männer hatte.
Kurz darauf wurde Dettmann hereingeführt. Mit stoischem Blick sah er in die Runde, doch dahinter verbarg sich nervöse Wachsamkeit. Er war auf der Hut. Man setzte sich. Kirsten und Dühnfort auf die eine Seite des Tischs. Dettmann und sein Anwalt auf die andere. Scharfenberg schob den Stuhl zurück, legte ein Bein über das andere, zog die Bügelfalte der Hose glatt und warf seinem Mandanten einen aufmunternden Blick zu. »Wir hören.«
Kein Vorgeplänkel, dachte Dühnfort. Sondern Überraschungsangriff. Er verschränkte die Hände und suchte Dettmanns Blick. »Langsam wird es eng für Sie. Sie waren zur Tatzeit am Tatort. Ihre DNA wurde nachgewiesen. Ihre Arbeitsschuhe weisen einen markanten Fehler im Profil auf. Zahlreiche Spuren dieser Sohle haben wir am Tatort gesichert. Ihr Fahrzeug wurde zur Tatzeit in Unterhaching beobachtet, als es in den Kreisverkehr einfuhr und dabei ein Verkehrsschild beschädigte. Spuren und
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