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Verführt: Roman (German Edition)

Verführt: Roman (German Edition)

Titel: Verführt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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wenigstens die Handschuhe einer jener tapferen Romanheldinnen verdient zu haben.
    Der Moment der Wahrheit war da. Sie reckte sich so weit hinauf, wie die Leiter es zuließ, stemmte die verschwitzten Handflächen gegen die Bodenklappe und konnte nur hoffen, dass sie wenigstens das Überraschungsmoment auf ihrer Seite hatte, sollte irgendwer sie auftauchen sehen.
    Sie versetzte der Klappe einen einzigen kräftigen Stoß und sprang wie ein Schachtelteufel aus dem Dunkel des Schiffsbauchs.
    Sonnenlicht brannte ihr in den Augen und blendete sie. Fast noch verblüffender als das Licht war die Wärme. Feucht und drückend, hüllte sie Lucy in ihre schwere Decke, zwang sie dazu, nach Luft zu schnappen und sich zu fragen, wo der kalte englische Winter geblieben war.
    Sie hatte allen Grund dankbar zu sein, dass sie noch zum Luftholen gekommen war, denn als ihre Augen sich endlich ans Licht gewöhnt hatten, fand sie sich Nase an Nase mit dem boshaften Kobold aus ihren schlimmsten Albträumen.
    Lucy kreischte wie am Spieß.
    Der Kobold kreischte noch lauter. Das Entsetzen in seinem sommersprossigen Gesicht glich dem ihren.
    Aus Angst, sein schrilles Gekreisch werde ihr das Trommelfell zerreißen, hielt Lucy sich die Ohren zu. Sie war nicht auf dem unteren Kanonendeck gelandet, wie sie gehofft hatte, sondern ausgerechnet auf dem Hinterdeck, dem am besten einzusehenden Deck von allen. Durch den Schleier der Angst bemerkte sie vage einen bleichen Schatten hinter dem Kobold und noch ein paar andere Gestalten in der Takelage und auf dem Vorderdeck, die schreckensstarr das Drama beobachteten. Die atemberaubenden ebenholzschwarzen Segel flatterten wie ein Trauerbaldachin über ihren Köpfen.
    Anstatt sie anzuspringen und sie mit einem Entermesser zu zerstückeln, wie Lucy es eigentlich erwartet hätte, stolperte das kreischende Kerlchen rückwärts und landete hart auf seinem Allerwertesten. Die harte Landung ließ dankenswerterweise das Gekreisch verstummen, brachte andererseits aber seine Sprache zurück, einen beinahe unverständlichen irischen Dialekt.
    »Die Heiligen stehen uns bei, Pudge! Das ist ganz bestimmt eine Todesfee!« Er bekreuzigte sich ungelenk.
    Der Mann mit den Augengläsern, der hinter ihm gestanden hatte, lief mit wabbelndem, teigigem Bäuchlein, das wie ein schlecht gebackenes Brötchen aussah, auf die Reling zu und staunte Lucy ehrfürchtig an. »Das ist keine Todesfee, Tam. Das ist eine Walküre, die uns nach Walhall holen will. Beim heiligen Georg, wir sind verdammt!«
    Das unsinnige Gebrabbel der beiden zerrte an Lucys Nerven und ließ ihre Angst zu bloßer Verwirrung werden. Da entdeckte sie im Hosenbund des jungen Iren den vertrauten Knauf einer Pistole und ging auf den Burschen zu.
    Er zappelte rückwärts wie eine verängstigte Krabbe. »Lass mich nicht allein, Pudge. Wir haben doch schon so viel gemeinsam durchgestanden!«
    Doch sein schnaufender Kumpan robbte sich näher an die Reling heran.
    Die offenkundige Feigheit der beiden ermunterte Lucy, dem einen die Pistole aus dem Hosenbund zu schnappen, worauf der in einer Mischung aus Schrecken und religiöser Ekstase die Augen rollte. »Gütiger Himmel, hol mich heim, sie hat Übles mit mir vor.«
    Pudge zerrte ein dickliches Bein über die Reling. »Eine Meerhexe, ich wusste es, eine Meerhexe!«
    »Uh!«, heulte der junge Ire. »Schön ist sie und schrecklich!«
    Eine unterkühlte Stimme mit amüsiertem Unterton machte der eskalierenden Hysterie ein Ende. »Eine ganz passende Beschreibung, Tam. Schade, dass ich nicht selber draufgekommen bin.«
    Lucy drehte sich verblüfft um die eigene Achse und zielte mit der Pistole direkt aufs verräterische Herz des Kapitäns.

23
     
    Gerard lehnte lässig am Hauptmast, eine aufreizende Studie an seemännischer Eleganz. Die schwarzen Breeches klebten an den schlanken Beinen und mündeten in einem Paar atemberaubender Schaftstiefel. Das weiße Hemd stand am Hals offen. Darüber trug er eine dunkelblaue Jacke, die er einem hilflosen Offizier der Royal Navy vermutlich mit vorgehaltener Pistole abgeknöpft hatte. Die blinkenden Messingknöpfe reflektierten das Sonnenlicht und verwirrten Lucy fast genauso wie sein hämisches Grinsen.
    »Guten Morgen, Miss Snow«, sagte er, als bedrohe sie ihn nicht mit einer Waffe, die ihm das Grinsen für ewig aus dem Gesicht pusten konnte. »Für Ihren verfeinerten Geschmack ist die Luft da unten wohl etwas zu abgestanden?«
    Tams Geschrei erschreckte Lucy dermaßen, dass sie fast die

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