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Verführt von einer Lady

Verführt von einer Lady

Titel: Verführt von einer Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
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zurückbegleiten?“
    Sie nickte, und in diesem Augenblick überkam ihn ein wirklich merkwürdiges Bedürfnis.
    Er wollte wissen, was in ihr vorging.
    Komisch. Bisher hatte er noch nie wissen wollen, was in anderen vorging.
    Aber er fragte nicht. So etwas tat er einfach nicht. Und wirklich, wozu auch? Irgendwann würden sie ohnehin heiraten, und so spielte es keine Rolle, was in ihnen beiden vorging, oder?
    Amelia hätte es nicht für möglich gehalten, dass man eine ganze Stunde lang rot vor Verlegenheit sein konnte. Aber offensichtlich kam dies durchaus vor, denn als die Herzoginwitwe sie mindestens eine Stunde nach ihrer Rückkehr in den Salon im Flur abpasste, warf die alte Dame einen Blick auf ihr Gesicht und lief vor Zorn beinahe purpurrot an.
    Und nun war sie in der Halle gefangen, musste reglos dastehen, während die Herzoginwitwe sie mit zunehmender Lautstärke herunterputzte, bis ihre Predigt schließlich in einem durchdringenden „Zum Teufel mit den Sommersprossen!“ gipfelte.
    Amelia zuckte zurück. Die Herzoginwitwe hatte sie schon öfter wegen ihrer Sommersprossen gescholten (nicht dass ihre Anzahl jemals zweistellig gewesen wäre), aber dies war das erste Mal, dass sie sich zu Flüchen hinreißen ließ.
    „Ich habe doch gar keine neuen Sommersprossen bekommen“, stieß sie hervor und fragte sich, wie Wyndham es geschafft hatte, dieser Szene zu entfliehen. Er hatte sich davongemacht, sobald er sie mit roten Wangen in den Salon zurückgebracht hatte, wo sie für die Herzoginwitwe leichte Beute gewesen war. Die alte Dame schätzte die Sonne in etwa ebenso, wie es ein lichtscheuer Vampir tat.
    Worin eine gewisse ironische Gerechtigkeit lag, da sie die Herzoginwitwe in etwa so schätzte, wie sie einen Vampir geschätzt hätte.
    Die Herzoginwitwe hielt kurz inne. „Was haben Sie eben gesagt?“
    Da Amelia ihr bisher nie Widerworte gegeben hatte, musste sie diese Reaktion natürlich überraschen. Aber Amelia schien dieser Tage ein neues Kapitel aufgeschlagen zu haben und sich endlich zu behaupten, daher schluckte sie und sagte: „Ich habe keine neuen Sommersprossen. Ich habe in den Spiegel gesehen und nachgezählt.“
    Das war gelogen – und sehr befriedigend.
    Die Herzoginwitwe presste die Lippen zusammen und funkelte Amelia eine ganze Weile länger an, als nötig gewesen wäre, um sie in helle Aufregung zu versetzen, und bellte dann: „Miss Eversleigh!“
    Grace sprang förmlich durch die Tür zum Salon und hinaus auf den Flur.
    Die Herzoginwitwe schien ihre Ankunft nicht zu bemerken und fuhr mit ihrer Tirade fort: „Liegt unser Name denn keinem mehr am Herzen? Unser Blut? Herr im Himmel, bin ich in dieser abscheulichen Welt der einzige Mensch, der versteht, wie wichtig … wie bedeutsam …“
    Entsetzt sah Amelia die alte Dame an. Einen Augenblick sah es aus, als wollte sie anfangen zu weinen. Was unmöglich gewesen wäre. Die Frau war schon rein körperlich nicht in der Lage dazu. Dessen war Amelia sich sicher.
    Grace trat vor und verwirrte sie alle, indem sie der Herzoginwitwe den Arm um die Schultern legte. „Madam“, sagte sie beruhigend, „es war ein schwieriger Tag.“
    „Ganz und gar nicht“, fuhr die Herzoginwitwe sie an und schüttelte sie ab. „Im Gegenteil, der Tag war alles Mögliche, nur nicht schwierig.“
    „Madam“, sagte Grace noch einmal, und wieder staunte Amelia über ihren ruhigen, freundlichen Ton.
    „Lassen Sie mich in Ruhe!“, schrie die Herzoginwitwe. „Ich muss mich um ein Herzogsgeschlecht kümmern. Sie sind nichts! Nichts!“
    Grace fuhr zurück. Amelia sah, dass sie heftig schluckte, wusste aber nicht, ob sie Tränen oder heftigen Zorn unterdrückte.
    „Grace?“, sagte sie vorsichtig, wobei sie nicht recht wusste, was sie eigentlich wissen wollte; sie fand es nur wichtig, dass sie überhaupt etwas sagte.
    Grace schüttelte kurz den Kopf und gab so ihrer Freundin klar zu verstehen, dass sie lieber nicht nachfragen solle. Woraufhin Amelia sich natürlich fragte, was genau eigentlich am Vorabend passiert war. Niemand verhielt sich normal. Weder Grace noch die Herzoginwitwe, und Wyndham erst recht nicht. Abgesehen davon, dass er sich mal wieder davongemacht hatte. Das zumindest entsprach genau dem, was man von ihm erwartete.
    „Wir werden Lady Amelia und ihre Schwester zurück nach Burges Park begleiten“, ordnete die Herzoginwitwe an. „Miss Eversleigh, lassen Sie sofort die Kutsche vorfahren. Wir werden unsere Gäste begleiten und dann in unserem eigenen

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