Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verfuehrung

Verfuehrung

Titel: Verfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
einer meiner Brüder in Venedig lebt, und der ist ganz und gar nicht nach deinem Geschmack.«
    »Bist du so sicher, dass du meinen Geschmack kennst?«
    Kaum hatte sie das gesagt, da grinste er, und sie erkannte, dass sie ihm gerade den Anlass zu einem Wortspiel geliefert hatte.
    »Hm. Ich glaube, ich muss mich noch einmal selbst überzeugen. Bitte, bitte bring mich erneut um meinen Verstand, das Erwachen ist so schön!«
    »Wenn du jetzt glaubst, ich würde nach deinem Geständnis von gestern wissen wollen, wie meine Vorgängerinnen dich in Ekstase versetzt haben, dann täuschst du dich. Das will ich selbst herausfinden und höre mir das frühestens an, wenn du beginnst, nach anderen Frauen zu sehen«, sagte sie, durchaus in Stimmung für etwas Spott. Sie zog ihn rückwärts zu sich auf das Bett und knabberte an seinen Ohrläppchen, während sie sein ohnehin nur halb zugeknöpftes Hemd wieder öffnete.
    »Calore«, wiederholte er später, als sie sich fragte, ob sie heute je aufstehen würden, und entschied, dass sie keinen Wert darauf legte, »einen passenderen Namen gibt es nicht.«
    »Calori«, sagte sie und erinnerte sich, dass Petronio sie am Ende ihrer Aussprache so genannt hatte. Das war ein Omen.
    »Dann wirst du mit mir nach Venedig gehen, Calori?«
    »Wenn ich jemals aus diesem Bett herauskomme«, erwiderte sie lachend. Es war wie das Aufsteigen von Blasen in ihrem Inneren, dieses Lachen, das sich Luft machen musste. Sie hatte das Gefühl, Schaum zu sein, der auf dem Meer mehr schwebte als trieb, und keinerlei Angst, je unterzugehen.
    »In welch grausamem Dilemma befinde ich mich doch«, sagte er mit gespieltem Kummer. »Ich glaube, der Herr will mir etwas klarmachen.«
    Sie rollte sich ein wenig von ihm weg, damit sie sich auf den Ellbogen aufstützen und ihn betrachten konnte.
    »Ich glaube, dass ich nicht die Einzige bin, die Verkleidungen aufgeben sollte«, stellte sie fest. »Warum lässt du dich immer noch Abbate nennen, wenn du doch keine Karriere in der Kirche mehr machen willst?«
    »Man bekommt meistens bessere Zimmer in Gasthöfen.«
    »Im Ernst, Giacomo.«
    »Im Ernst, Calori. Es hat seine Vorteile. Denke nur einmal an die Beichte. Wenn das keine erstrebenswerte Zauberei ist, und noch dazu legal! Jeder Schuft wird durch dich in wenigen Minuten zum Ehrenmann. Solche Wunder kann kein anderer Berufsstand für sich beanspruchen. Und«, er ließ den neckenden Tonfall sein und wurde ernst, »nun ja, bisher habe ich nichts getan, was es mir unmöglich macht, es noch einmal als Abbate zu versuchen und mich von der Kirche ernähren zu lassen, falls mir ein für alle Mal das Geld ausgeht. Das wäre nicht weniger als dein vollständiger Abschied vom Kastratendasein.«
    Sie streckte ihre Hand nach ihm aus und fuhr ihm durch das Haar, das so dicht wie das ihre war.
    »Ich bin vielleicht nicht die frömmste Christin«, sagte sie leise, »aber ich finde, das solltest du nicht tun. Es ist mir gleich, wie viele Kardinäle Mätressen haben oder mit Knaben oder Kastraten schlafen. Du bist ein besserer Mensch. Du solltest nicht als Heuchler leben.«
    »Besser?«, wiederholte er ungläubig. »Du hast mich in Ancona mit deinen Schwestern und der Griechin erlebt und gewusst, dass ich gleichzeitig dir den Hof mache.«
    »Aber du warst ehrlich dabei«, sagte sie und konnte endlich all das Widersprüchliche ausdrücken, das ihr schon seit Tagen durch den Kopf ging. »Du hast keiner von ihnen vorgemacht, dass du sie allein und für ewig für dich haben willst. Und mir nicht gesagt, dass du mehr als mit mir ins Bett wolltest. Aber du hast mit keiner so gelacht wie mit mir«, fügte sie mit einem kleinen Lächeln hinzu. »Wenn du vorgibst, Gott zu dienen, dir dafür die Taschen füllen lässt und in Wirklichkeit nichts anderes tust, als wie ein Laie zu leben, das ist im Vergleich dazu Lüge und Heuchelei.«
    »Sagt die Kastratin«, antwortete er mit einer Spur von Ärger, der verriet, dass sie ihn getroffen hatte.
    »Ja«, gab sie zu. »Das war auch Lüge. Aber wenn ich wieder eine Frau werden soll, dann finde ich, dass du ein normaler Mann sein kannst, kein Abbate. In der Kutsche – da warst du einer, und da wusste ich, dass ich dir vertrauen kann. Da warst du Giacomo, nicht mehr ein Mann in einem Kostüm der Kirche.«
    Er beugte sich zu ihr. »Du meinst also, dass wir beide ins Wasser springen und schwimmen lernen sollen?«, fragte er, und der Ärger wich wieder der Heiterkeit, weil er wohl nie lange grollen

Weitere Kostenlose Bücher