Verfuehrung
fragte er die Männer.
»Oh, ich bin sicher, dass wir die Straße bis morgen Nachmittag frei bekommen.«
Da Giacomo es unter den neuen Umständen überhaupt nicht mehr eilig hatte, nach Rom zu kommen, versprach er dem Postmeister, in Gegenwart der beiden anderen Männer, den dort Arbeitenden pro Tag eine halbe Zechine zu überlassen.
Der Postmeister wollte schon antworten, schwieg aber dann ob dieser offensichtlichen Dummheit, die nicht zu schnellerer, sondern garantiert zu langsamerer Arbeit führen würde. Seine Gedanken standen ihm auf der Stirn geschrieben. So ein venezianischer Schnösel aus dem Norden, musste er glauben, war eben einfältig und nicht so bauernschlau wie die Leute aus dem Süden. Das verschmitzte Grinsen auf den Gesichtern der beiden Leute aus dem Ort zeigte, dass sie genau das Gleiche dachten.
Giacomo sah es und wusste, dass er gewonnen hatte, zumindest Zeit, von der er sich das erhoffte, wovon er den ganzen Tag über geträumt hatte, seit die beiden Frauen aus ihren Sänften gestiegen waren. Die Ära seines kalabrischen Zwangszölibats war endgültig vorüber.
Die von Donna Lukrezia genannte Stunde war kaum vergangen, als sie durch die Tür des inzwischen völlig leeren Speisezimmers, das lediglich durch den Mond erleuchtet war, eintrat, bekleidet nur mit einem Nachthemd und einem Morgenrock, sich vor ihn auf den Tisch setzte, wo Casanova auf sie wartete.
Es wurde ihm plötzlich bewusst, dass er all seine bisherigen Erfahrungen mit Mädchen geteilt hatte. Lukrezia dagegen war eine voll erblühte Frau. Es war nur zu hoffen, dass sie ihn als erwachsenen Mann wahrnahm, als einen Kavalier mit Erfahrung. Als solcher versuchte er nun, mit einer geistreichen Bemerkung aufzuwarten, um ihr zu zeigen, dass er ihrer würdig war.
»Was würden Sie tun, wenn Sie irgendwo wären, wo Sie keiner kennt? Wenn Sie handeln könnten, ohne je Konsequenzen befürchten zu müssen?«, begann er und war durchaus neugierig auf ihre Antwort.
»Das sage ich Ihnen nicht. Aber ich hoffe doch, dass Sie bald damit beginnen.«
Damit gab sie der Natur alle Schönheit zurück, die lästige Hüllen bisher verschleiert hatten. Das war eindeutig. Eigentlich war die Sprache ein Teil der Liebe für ihn, doch als verheiratete Frau, die sich im Gegensatz zu ihm bei diesem Treffen in echte Gefahr begab, war es an ihr, die Regeln aufzustellen. Also ließ er seinen Körper für sich sprechen, mit all dem, was er seit jenem unterbrochenen Morgen mit Bettina gelernt hatte, und fragte sich, warum Geographen so versessen darauf waren, Erdschichten zu erkunden, wo das größte Rätsel der Natur doch der Zusammenklang zweier Körper war, immer wieder anders, immer wieder neu. Die Luft um sie schien ihm immer noch voll von den Spannungen des Gewitters, das vorhin niedergegangen war, und aus jeder Pore ihrer Haut sprühten ihm Funken entgegen. Die Nacht verbarg sie, und sie vertrauten sich, bis auf die unvermeidlichen Seufzer, schweigend ihrem Schutz an.
Erst nachdem sie bis zur völligen Erschöpfung alles genossen hatten, was glühende Leidenschaft jungen kräftigen Liebenden an süßen Freuden geben konnte, fanden sie wieder zu Worten.
Wie um sich zu rechtfertigen, sagte Lukrezia ihm: »Mein Mann ist krank«, und ehe sie mehr dazu sagen konnte, unterbrach er sie: »Wie kann ein Mann bei Ihnen krank sein. Ist er schon tot?«
»Er ist nicht tot. Er zeigt nur kein Leben mehr«, seufzte sie. Giacomo schloss sie in seine Arme, zärtlich, wie es das Ruhen der ersten Leidenschaft gebot.
Die etwas abgestorbene Glut, die zu dieser Zärtlichkeit geführt hatte, wurde dadurch jedoch erneut entfacht, so dass sie sich aus seinen Armen wand, umdrehte, sich mit ihrem Oberkörper auf den Tisch legte und ihm zwei Backen zu sehen bot, die der überwältigenden Schönheit ihres Busens in nichts nachstanden. Wie lange musste sie schon einen Mann vermisst haben? Aber was bedeutete ihm das heute? Nichts. Er hatte sich augenblicklich und aus ganzem Herzen bereits im ersten Moment ihres Treffens in sie verliebt und erhoffte sich das auch für sich von ihr. Die letzten Stunden der Nacht wurden dann von anderen Gesetzen der Natur geschrieben, die nicht von Zärtlichkeit und Hingabe bestimmt waren.
Am nächsten Morgen musste er sich den Spott des Advokaten anhören, als dieser ihn kurz vor Mittag weckte und von »Schwächeln« bei den jungen Leuten sprach. Er berichtete, dass keine Chance bestünde auf ein Weiterkommen an diesem Tag. Was Giacomo beim
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