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Verfuehrung

Verfuehrung

Titel: Verfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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entgegnete sie so würdevoll wie möglich, »und es ergeht mir dabei sehr gut.«
    Hinter ihr rief Casanova dem Matrosen etwas zu, was Bellino nicht verstand und ein venezianischer Dialekt sein musste. Der Mann schüttelte den Kopf und trat zurück, um ihr mehr Raum zu geben. Bei dem Schiff handelte es sich um eine Schebecke, wie Casanova ihr erklärte; deswegen sprangen nur Bug und Heck weit über das Wasser hoch. Es hatte drei Masten, die ihr nun, da sie an Bord stand, viel größer als vom Ufer aus vorkamen. Da das Schiff ankerte, waren die Segel gerefft, bis auf eines, das auf dem Boden des Decks lag, wo es ausgebessert wurde, und sie konnte sehen, dass es nicht viereckig, sondern dreieckig war.
    »Das nennt man lateinische Segel«, sagte Casanova, der ihren Blick bemerkt hatte. »Sehr beliebt bei Piraten, weil es die Geschwindigkeit erhöht.«
    »Wir fahren für Don Antonio Tadducci und sind ein anständiges Schiff«, sagte der Matrose gekränkt. »Wenn du an Bord gekommen bist, um uns zu beleidigen, kannst du gleich wieder gehen, Laffe.«
    »Mein junger Freund hier war noch nie auf einem Handelsschiff«, meinte Casanova beruhigend. »Venezianische Schiffe sind die besten der Welt, deswegen wollte ich ihn über euer Schiff mit der Seefahrt bekannt machen. Don Antonio Tadducci, sagst du? Ich glaube, ich kenne seinen Vetter Giovanni. Ein wirklich guter Freund von mir.«
    »Der steckt derzeit in den Bleikammern«, gab der Mann misstrauisch zurück. »Damit hat aber Don Antonio nichts zu tun. Don Antonio ist ein anständiger Kaufmann. Du bist wohl ein Spitzel der Staatsinquisition, wie?«
    »Ganz bestimmt nicht.«
    »Dann kauf was, oder verschwinde wieder mit dem Kapaun. Verschnittene an Bord bringen Unglück, genau wie Frauen. Wenn ich bei der nächsten Fahrt meine Eier verliere, weiß ich, wer Schuld hat.«
    »Eure Legehenne?«, rutschte es Bellino heraus, ehe sie sich zurückhalten konnte. Damit war der Besuch des venezianischen Schiffs beendet, ehe sie überhaupt die Waren dort zu Gesicht bekamen.
    »Das tut mir leid«, sagte Casanova, als sie sich wieder in ihrem gemieteten Ruderboot befanden. »Ich hätte daran denken sollen, dass in Venedig jeder jeden verdächtigt, für die Staatsinquisition zu arbeiten, wenn man ihnen nur den geringsten Anlass dafür gibt. Und da natürlich auch jeder jeden betrügt, wo er nur kann, gibt es immer etwas zu befürchten. Offenbar bin ich schon zu lange von zu Hause fort!«
    »Nun, vielleicht lässt man diesen Giovanni Tadducci wieder laufen, und es war alles nur ein Missverständnis.«
    Er zuckte die Achseln.
    »Ich dachte, er sei ein wirklich guter Freund?«, fragte Bellino, und der Venezianer schenkte ihr ein kleines Lächeln.
    »Um ganz offen zu sein: Ich wusste noch nicht einmal, dass es ihn gibt. Aber jede Familie hat ein Mitglied namens Giovanni, darauf kann man eigentlich immer wetten. ›Ich kenne Vetter Giovanni‹ ist deshalb die einfachste und sicherste aller Einführungen heutzutage.«
    Sie legte die Hand aufs Herz. »Signore Abbate, ich bin entsetzt. Eine Lüge, von Ihnen? Nie hätte ich das für möglich gehalten.«
    »Unter Gleichgesinnten fühlt man sich eben gelegentlich zu Geständnissen veranlasst«, sagte er vergnügt und bot ihr an, als Nächstes das türkische Schiff zu besuchen.
    »Nun, zumindest werden die Matrosen dort keine Vorbehalte gegen Kastraten haben«, sagte Bellino und versuchte, weltmännisch zu klingen und ihre Aufregung herunterzuspielen. An Bord eines türkischen Schiffes hätte sie alleine erst recht nicht zu gehen gewagt, obwohl sie ungeheuer neugierig war, seit sie mit Melani die Oper Theodora einstudiert hatte, mit all den Arien über das schöne Konstantinopel, das Juwel des Bosporus, und sicher nicht deswegen, weil er behauptete, diese sagenumwobene Stadt tatsächlich aufsuchen zu wollen. »Wenn bei denen Eunuchen sogar Minister werden können.«
    »Das können sie bei uns auch, wenn die Geschichten aus Spanien über Farinelli und seinen Einfluss am Königshof stimmen. Sehen Sie etwa Ihre Zukunft in der Politik, Bellino?«
    »Nein«, entgegnete sie, »dazu bin ich zu eitel. Nur für einen einzigen Zuhörer singen, auch wenn er König von Spanien wäre? Niemals! Außerdem darf er angeblich nur sechs Lieder vortragen, immer die gleichen. Ich möchte von so vielen wie möglich gehört und weiß Gott nicht so eingeschränkt in meinem Vortrag werden.«
    Beinahe hätte sie hinzugefügt, dass er gerade zum ersten Mal ohne Widerspruch

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