Verfuehrung
sich eben von denen nicht den Wein mischen«, sagte Cecilia arglos. Marina stieß sie in die Seite und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Cecilias Augen wurden rund. »Gift, wirklich?«
»Mir nicht den Wein verderben zu lassen ist der Grund, warum ich stets meine eigenen Vorräte mitführe«, sagte Don Sancho milde.
»Umso mehr wissen wir Ihr Vertrauen zu schätzen«, meinte Bellino. Es war mehr eine Frage als eine Feststellung. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Don Sancho so etwas nur erwähnt hatte, um die Unterhaltung voranzutreiben, wusste aber andererseits keinen Grund, warum er die Rede auf Gift bringen sollte im Zusammenhang mit ihr, den Geschwistern oder Casanova.
»Meine Philosphie ist, Vertrauen zu schenken, bis ich eines Besseren belehrt werde, oder vielmehr eines Schlechteren«, gab Don Sancho fröhlich zurück, »und des Weiteren ist es meine Überzeugung, dass Menschen, die selbst ihre Geheimnisse haben, die besten Geheimnisträger sind.«
Es war gut, dass Bellino gerade nichts trank, denn sie hätte sich verschluckt. Bisher hatte Don Sancho durch nichts erkennen lassen, dass er ihr nicht glaubte, genau der Kastrat zu sein, als den sie sich ausgab. Oder spielte er vielleicht auf Casanova an und bezweifelte dessen Geschichte vom Abbate und Kardinalssekretär genau, wie sie es getan hatte?
Verstohlen schaute sie in Casanovas Richtung und sah, dass er sich ein wenig gerader gesetzt hatte und seinerseits ihren Blick mit einer erhobenen Augenbraue erwiderte.
»Ein Hoch auf Ihr Vertrauen in die Menschheit!«, sagte Bellino, denn peinliche Stille war das Letzte, was sie sich jetzt wünschte, hob ihr Glas und ließ sich noch etwas Champagner einschenken. »Müssen Sie es eigentlich oft in Neapel auf die Probe stellen?«
»Öfter, als mir lieb ist, aber nicht so oft, dass es mir meine Ämter verleidet. Oder die Stadt. Waren Sie schon einmal dort, Bellino?«
Endlich, dachte Bellino und versuchte, nicht zu glücklich darüber zu klingen, dass es ihr gelungen war, das Gespräch in die von ihr erhoffte Richtung zu lenken. »Leider noch nicht. Aber ich träume davon, einmal dort aufzutreten.«
Die Hand, die nicht das Glas hielt, lag auf ihrem Schoß unter dem Tischrand und war fest zusammengepresst. Bitte, flehte sie in Gedanken, bitte, bitte, bitte …
»Und ich dachte, Sie seien in Neapel ausgebildet worden, von Kindheit auf«, sagte Casanova in einem Ton gespielter Verwunderung. Sie hätte ihn umbringen können, und danach sich selbst. Wie war so ein Schnitzer nur möglich? Sie hatte noch nicht einmal genügend Wein getrunken, um es auf den Alkohol zu schieben. »Genau wie all die großen Kastratensänger – Farinelli, Caffarelli, Salimbeni, Appianino … war das am Ende nicht so?«
»Ich gestehe. Sie haben mich ertappt.«
»Das wusste …«, begann er in dem selbstzufriedenen Tonfall einer Katze, welche gerade die Schale einer anderen Katze ausgeschleckt hatte.
»Bei einer Übertreibung«, unterbrach sie ihn steinern. »Ich bin in Mailand ausgebildet worden, nicht in Neapel. Aber das Conservatorio in Neapel ist, wie Sie sehr richtig bemerken, das angesehenste von allen. Die Menschen hören einem eher zu und bezahlen einem ein höheres Gehalt, wenn man behauptet, dort ausgebildet worden zu sein.«
Sie vermied es, zu Petronio, Cecilia oder Marina zu blicken, die alle drei wussten, dass Bellino in Neapel ausgebildet worden war, und schaute stattdessen zu Don Sancho, der aufmerksam lauschte, ohne wirklich überrascht oder gar zweifelnd zu wirken. War sie denn von allen guten Geistern verlassen gewesen? Er musste etwas wissen oder ahnen, da sie nie mit ihm über die Stadt gesprochen hatte, die sie als Kastratensänger vorgab, über Jahre bewohnt zu haben. Wie dumm, wie einfältig war sie gewesen. Aber ein Zurück gab es nicht. Wenn einem die Gegenwart nicht gefiel, musste man sie eben anders gestalten. Mit dem Gefühl, von einer Klippe zu springen, ließ sie ihr Gesicht das von Orpheus sein, der die Götter der Unterwelt um die Rückgabe seiner Liebsten bat, in vier Vertonungen, die sie bereits gesungen hatte.
»Finden Sie mein Können und meine Stimme dieser Behauptung unwürdig, Don Sancho?«
Die Mundwinkel des eleganten Spaniers zuckten.
»Keineswegs. Und ich freue mich schon, beides noch oft zu erleben.«
Daraufhin trank sie ihr Glas aus, damit sie nicht laut und erleichtert aufseufzte, doch noch ehe sie nachhaken und fragen konnte, ob er beides denn in Neapel erleben wolle, sagte Marina
Weitere Kostenlose Bücher