Verfuehrung im Walzertakt
zu nehmen, wunderte sie sich dennoch, ob ihn zudem nicht auch der Wunsch anspornte, seinem Rivalen aus Cambridgetagen einen Strich durch dessen Pläne zu machen. „Hast du darüber schon mit Lord Coltonby gesprochen?“
„Man hat sie erst heute geliefert. Daher konnte ich ihm wohl kaum vorher davon berichten.“ Simon ging zu der großen schwarzen Maschine hinüber und fuhr mit der Hand darüber. „Außerdem werde ich nicht zulassen, dass ein blasierter Aristokrat mir sagt, wie ich meine Geschäfte zu führen habe.“
„Simon!“, stieß Diana zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Dein Benehmen ist höchst anmaßend. Du wirst ihn dir noch zum Feind machen.“ Sie holte tief Luft. Sie würde ihm von ihrer Begegnung mit Lord Coltonby berichten und ihm erzählen müssen, was sie dabei erfahren hatte. „Der Earl ist anders, als du denkst. Er legt sein Hauptaugenmerk nicht darauf, den Weinkeller leer zu trinken und sein Erbe zu verspielen.“
„Wovon in aller Welt sprichst du, Diana? Ich kenne Coltonby von der Universität. Spielen und Trinken sind sein Lebensinhalt. Es lässt sich schon gar nicht mehr zählen, an wie vielen Kartentischen er gesessen, an wie vielen Gelagen er teilgenommen hat und danach in Raufereien verwickelt war.“
„Das ist lange her. Mir scheint es, man sollte ihn lieber zum Verbündeten haben, denn zum Feind.“
„Er war der überprivilegierte Sohn eines Earls, ein Wichtigtuer, der mich demütigte. Ich weigere mich, nach seiner Pfeife zu tanzen und mich seinen Wünschen zu beugen. Er wird nicht einen Zentimeter meines Bodens bekommen, bis er nicht Blut dafür geschwitzt hat.“
Diana blickte auf die riesige schwarze Maschine. Ihr war nie bewusst gewesen, wie tief die Erfahrungen an der Universität auf Simons Wesen Einfluss genommen hatten. Aber sie hatte auch die Leidenschaft in Lord Coltonbys Stimme vernommen, als er von dem Wunsch sprach, sein Anwesen wieder profitabel zu machen. Der Mann war keineswegs oberflächlich. Wenn Simon dies nur erkennen würde.
„Simon, du musst endlich erwachsen werden. Du darfst dich nicht länger allein von Erlebnissen leiten lassen, die dir vor vielen Jahren zugestoßen sind.“
Bruder und Schwester schauten sich finster an. Seinen Kragen lockernd wandte Simon schließlich den Kopf ab. „Wenn die Zugmaschine, ich habe sie ‚Duke‘ benannt, erst einmal zufriedenstellend läuft, werde ich sehen, ob ich dieses Stück Land benötige. Wenn nicht, werde ich es ihm zum dann gültigen Marktpreis verkaufen, nicht zu dem lumpigen Preis, den Coltonby mir geboten hat. Ich habe es Biddlestone damals nur zur Beschwichtigung offeriert – als Gegenleistung dafür, dass er in die Lokomotive investieren wollte. Gibst du dich damit zufrieden?“
„Das werde ich wohl müssen.“ Hinter ihrer Stirn lauerte bereits der Kopfschmerz. Simon hatte beschlossen, eine Auseinandersetzung mit Lord Coltonby heraufzubeschwören, und das bedeutete für niemanden etwas Gutes. Sie wandte den Blick auf die Lokomotive. „Warum nennst du sie ‚Duke‘? Ist sie nach dem Duke of Northumberland benannt? Hoffst du auf seine Investition?“
„Nein, ich nenne sie so, weil sie lärmend ist und recht oft heiße Luft ausspeit.“ Simon grinste.
Diana betrachtete ihren Bruder, und ihr sank das Herz. Er war störrisch, eigensinnig und nicht bereit, auf die Stimme der Vernunft zu hören. Es kümmerte ihn nicht, wie viele Feinde er sich machte, solange sein Geschäft florierte. Eines Tages würde er hoffentlich begreifen, dass der Sinn des Lebens nicht allein darin lag, seine Geschäftstüchtigkeit unter Beweis zu stellen. „Simon, manche glauben, es werde niemals gelingen, eine zuverlässige Lokomotive zu bauen.“
„Mir wird es gelingen. Wann habe ich je bei der Konstruktion einer Maschine versagt?“ Er ergriff ihre Hände. Ein flüchtiges Lächeln überzog sein Gesicht, das sie wieder an den Jungen erinnerte, den sie aus ihrer Kindheit kannte. Einen kurzen Augenblick lang vertrieb dieses Lächeln den verbitterten Mann, den sie nach ihrer Rückkehr aus London angetroffen hatte. „Verlass dich darauf, dass ich das Richtige tue. Ich werde Erfolg haben. Das weiß ich. Hab Vertrauen in mich.“
„Ich habe ja Vertrauen in dich, Simon. Wie kannst du daran nur zweifeln?“ Diana erschauerte. „Ich hoffe, du behältst recht. Ich denke, mit Lord Coltonby sollte man es sich besser nicht verderben.“
„Mit mir auch nicht, Diana, mit mir auch nicht.“
Stumm hoffte Diana, dass
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