Verfuehrung im Walzertakt
noch herrlicher als zuvor. Ich beabsichtige ein neues Herrenhaus mit Blick über den Fluss zu erbauen. Schon vor langer Zeit habe ich mir Pläne für ein solches Haus zeichnen lassen.“ Brett aß den letzten Bissen seines Apfels und warf den Stutzen fort.
„Deshalb möchten Sie dieses Landstück von meinem Bruder erwerben?“ Diana neigte den Kopf. Der Grund, warum Lord Coltonby ihr so viel Aufmerksamkeit schenkte, stand ihr nun deutlich vor Augen. Er wollte, dass sie sich bei Simon für ihn einsetzte. Das hätte sie sich gleich denken können. Das Wissen um seine Absicht hinterließ Erleichterung, aber auch einen Hauch der Enttäuschung. „Ich bedaure, Lord Coltonby, mein Bruder wird sich von mir nicht in seinen Entscheidungen beeinflussen lassen.“
Seine Augen weiteten sich leicht. „Woher wussten Sie, dass ich Sie darum bitten wollte?“
„Das liegt auf der Hand. Simon kehrte gestern in schrecklich schlechter Stimmung zurück.“
„Sie würden mir einen großen Gefallen erweisen, wenn Sie wenigstens mit ihm darüber sprechen würden.“ Er hielt inne. „Wir waren zur selben Zeit in Cambridge, ich fürchte, er trägt mir meine Jugendsünden immer noch nach.“
„Mein Bruder lässt sich im Geschäftsleben nicht von persönlichen Gefühlen oder Animositäten leiten.“
„In der Tat?“ Auf Bretts Lippen zeigte sich ein Lächeln. „Ich frage mich, ob das gut ist, oder eher nicht.“
„In geschäftlichen Dingen fragt er mich nie um Rat.“ Diana umschloss den Korb fester. Das Gespräch hatte einen unerwarteten Verlauf genommen. Es verlangte sie nicht danach, dass sich der Zwischenfall von der Hauptstraße wiederholte. „Sagen Sie, ist diese Region tatsächlich so vorteilhaft für Ihre Zwecke? Jeder in Ladywell wird das wissen wollen.“
„Unbedingt.“ Sein Blick wurde ernst. „Rennpferde sind meine Passion. Wenn ich an einem Rennen teilnehme, will ich siegen. Daher halte ich mich vorzugsweise dort auf, wo die Brieftaschen am dicksten gefüllt sind. Dann gibt es die höchsten Einsätze und Gewinne.“
„Das werde ich mir merken.“ Sie lachte beklommen. „Indes bezweifle ich, dass wir jemals ein Rennen gegeneinander austragen oder auch nur unseren Verstand messen werden.“
„Das kann man nie wissen. Es könnte Ihnen möglicherweise Freude bereiten.“ Samtweich flossen die Worte über seine Lippen. Sie glaubte beinahe, sie einem sanften Streicheln gleich auf ihrer Haut zu spüren. „Soll das heißen, Sie würden mich gerne einmal herausfordern, Miss Clare?“
„Nein.“ Diana hob das Kinn, bemüht, sich ihr Unbehagen nicht anmerken zu lassen. Er wollte sie lediglich aus der Fassung bringen, mehr nicht. „Wenn London mich eines gelehrt hat, dann ist es Vorsicht. Es ist kaum zu fassen, wie viele unziemliche Offerten mir unterbreitet worden sind, noch ehe Algernon im kühlen Grab ruhte. Guten Tag, Lord Coltonby.“
Sie eilte davon, aber nach wenigen Schritten spürte sie seine Hand am Ellbogen, die sie am Weitergehen hinderte. Warm streifte sein Atem über ihre Wange. Stocksteif stand Diana da, ihr ganzes Augenmerk auf einen Stein gerichtet, der auf der Straße lag. „Lassen Sie mich sofort los.“
„Ich kann mich für das ungehobelte, derbe Benehmen von Singvogels Freunden nur entschuldigen. Mich haben Sie indes völlig missverstanden.“ Seine Stimme wurde schneidend, seine Augen blickten kalt. „Niemals würde ich eine Frau mit Hinterlist zu etwas zwingen, das sie nicht auch selbst möchte. Von mir haben Sie nichts zu befürchten, Miss Clare, ob Sie nun diese altjüngferliche Haube tragen oder nicht.“
Diana wusste, dass ihr Kleid und die Haube sie unattraktiv wirken ließen. Selbst Simon hatte Bemerkungen über die Abscheulichkeit ihrer Garderobe fallen lassen. Bisher war sie mit der Wirkung ihres Aussehens äußerst zufrieden gewesen. Nun jedoch erwachte unvermittelt in ihr der Wunsch, Lord Coltonby möge in ihr etwas Besonderes sehen. Ein sanftes Beben erfasste ihren Körper. Es war, als hätte sich die Büchse der Pandora geöffnet und all die tief in ihrem Inneren verschlossenen Gedanken und Wünsche schlagartig freigelassen. Möglicherweise bot ihr die Haube keinen Schutz mehr, hatte dies nie getan? Nein, das konnte nicht sein.
Fest zog Diana an den Bändern ihrer Haube, so heftig, dass der Stoff zerriss. Als sie beklommen zu ihm aufblickte, bemerkte sie ein Funkeln in seinen Augen, das ihr die Schamesröte in die Wangen trieb.
„Hören Sie auf meinen Rat, Miss Clare,
Weitere Kostenlose Bücher