Verfuehrung in bester Gesellschaft
sehr er sie liebte, sodass sie die unwillkommene Anziehung zu dem Mann neben ihr vergaß, dem sie offenbar nichts bedeutete.
Nur noch ein Weilchen, sagte sie sich. Gewiss würde sie es noch ein bisschen in der Gesellschaft ihres baldigen Exgatten aushalten.
Violet achtete nicht auf die leise Stimme, die ihr sagte, dass sie einen weiteren Fehler beging.
8. KAPITEL
D en ganzen nächsten Tag verbrachte Violet mit Rule. Wie er es versprochen hatte, unternahm er mit ihr eine Stadtrundfahrt. Er ließ das Verdeck des eleganten schwarzen Landauers entfernen, damit sie den Sonnenschein genießen konnten. Sie fuhren vorbei an den eleganten Häusern von Mayfair und den teuren Geschäften in der Bond Street, wo sie in einem reizenden kleinen französischen Restaurant zu Mittag aßen.
Später befahl er dem Kutscher, sie durch den beliebten Hyde Park zu fahren, wo die Bäume das erste zarte Grün zeigten und erste Frühlingsblumen durch die Erde trieben. An diesem Tag blieb keine Zeit mehr, das London Museum und seine Ausstellung über Ägyptische Kunst zu besuchen, aber Rule versprach, dass sie es bald nachholen würden.
Am nächsten Tag führte er sie zu dem faszinierenden Kristallpalast in Seydanham.
„Himmel, mit so etwas habe ich nicht gerechnet!“, entfuhr es Violet.
Sie hatte über diese außergewöhnliche Ausstellungshalle schon einiges gelesen. Dennoch war sie auf den Anblick, der sie erwartete, als die Kutsche auf das weitläufige Gebäude zufuhr, nicht vorbereitet. Der riesige Palast stand auf einem Hügel und war ganz und gar aus Glas gefertigt. Violet war überwältigt.
Rule schmunzelte. „Nach der Weltausstellung von 1851 wurde der Palast im Hyde Park abgebaut und hier Stück für Stück neu zusammengesetzt. Seit der Wiedereröffnung 1854 haben ihn schon Millionen von Besuchern bewundert.“
Als die Kutsche näher kam, bestaunte Violet die massiven Glaskuppeln.
„Sie wurden entworfen, um sowohl unterhaltsam als auch bildend zu sein“, sagte Rule. „Hier gibt es alles, von lebendigen Riesenechsen bis hin zu ausgestopften Nashörnern.“
Violet wurde immer nervöser. Im Innern des gläsernen Gewächshauses wuchsen ganze Bäume und überall glitzerten Springbrunnen und künstliche Seen.
Rule spielte wie gewohnt den Gentleman und kaufte ihr Eiscreme und einen handbemalten Fächer, den sie zuvor bewundert hatte. Obwohl sie seine Gesellschaft mehr genoss, als sie zugeben wollte, wünschte sie sich, sie würde das alles hier mit Jeffrey erleben. Jeffrey war der perfekte Verehrer, immer anständig, ohne sie je zu drängen, mehr zu geben, als sie wollte. Nicht so wie Rule, dessen gierige Blicke wenig Zweifel an seinen Absichten ließen.
Sie beendeten den Nachmittag schon früh und kehrten so rechtzeitig nach Hause zurück, dass Violet noch ein wenig ruhen und sich anschließend für das Theater umkleiden konnte. Sie sagte sich, dass sie die Ruhe selbst war, aber als die Stunde ihres Aufbruchs näher kam, raste ihr Herz.
„Ich wünschte, ich wüsste, welches Kleid ich anziehen soll“, sagte sie zu Mary, die ein smaragdgrünes Brokatkleid neben eines aus dunkelrosa Taft mit einem Überrock aus cremefarbener Spitze gelegt hatte. Beide waren hübsch und tief ausgeschnitten, wie es gerade modisch war. Sie versuchte, nicht darüber nachzudenken, welches Rule wohl besser gefallen würde.
Auf Marys Vorschlag hin entschied sie sich für das Smaragdgrüne. „Es wird Ihnen ausgezeichnet stehen.“
„Also gut.“ Violet ging zum Bett. „Schauen wir mal, ob Sie recht haben.“
Das rundliche, braunhaarige Dienstmädchen half ihr mit den Unterkleidern und dem Korsett, das ihre Taille erstaunlich schmal zusammenschnürte. Mit Marys Hilfe legte sie die Käfigkrinoline an, einen Unterrock mit metallenen Reifen, der die Röcke noch weiter erscheinen ließ, als sie es ohnehin waren. Dann kam das Kleid.
„Oh, Mylady – sehen Sie nur! Das Grün passt perfekt zu Ihren Augen.“
Während Mary die Knöpfe auf der Rückseite des Kleides schloss, stand Violet vor dem großen ovalen Spiegel und ließ das, was sie sah, auf sich wirken. Sie widmete ihrem Äußeren selten so viel Aufmerksamkeit, aber dies war ein besonderer Anlass. Sie wollte so gut aussehen wie möglich.
Obwohl Rule sich bisher tadellos benommen hatte, ließ er keinen Zweifel an seinen Absichten. Er wollte, dass sie seine Ehefrau blieb, und in dieser Beziehung war er fest entschlossen. Sie fragte sich, welche Fallstricke an diesem Abend auf sie warten
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