Verführung in Manhattan
standen auf dem Tisch. Dazu wurde eine riesige Schüssel Gemüse serviert, das Nadia erst heute Morgen im eigenen Garten geerntet hatte. Als Dessert gab es selbst gebackene Kekse sowie große gefüllte Blätterteigpasteten, die Alex’ Lieblingsspeise waren.
Sydney trank den kühlen Wein, der ihr neben dem Wodka angeboten wurde, und kam aus dem Staunen nicht heraus. Doch die vielfältigen Speisen waren nichts im Vergleich zu der Unterhaltung bei Tisch.
Rachel und Alex unterhielten sich über einen Mann namens Goose. Sydney erfuhr, dass Alex Polizeischüler war, während Rachel als Referendarin bei einem Rechtsanwalt arbeitete und Goose, einen kleinen Dieb, bei Gericht verteidigte.
Yuri und Mikhail stritten sich über Baseball. Sydney brauchte Nadias freundliche Übersetzung nicht, um zu erkennen, dass Yuri ein überzeugter Anhänger der Yankees war, während Mikhail zu den Mets hielt.
Ständig fuchtelte jemand mit seinem Besteck durch die Luft. Ukrainische Ausdrücke mischten sich mit englischen. Alle lachten, stellten lautstark Fragen und stritten sich erneut.
„Rachel ist eine Idealistin“, stellte Alex fest. Er stemmte die Ellbogen auf den Tisch, stützte das Kinn auf die zusammengelegten Hände und lächelte Sydney an. „Und was sind Sie?“
Sie lächelte zurück. „Zu klug, um mich zwischen eine Rechtsanwältin und einen Polizisten zu stellen.“
„Ellbogen vom Tisch“, schimpfte Nadia und gab ihrem Sohn einen Knuff. „Mikhail hat erzählt, dass Sie eine Firma leiten und eine kluge Frau sind. Und sehr gerecht.“
Diese Beschreibung verblüffte Sydney so, dass sie einen Moment keinen Ton herausbekam. „Ich versuche es jedenfalls“, antwortete sie schließlich.
„Die Firma war letzte Woche in einer ziemlich heiklen Lage.“ Rachel kippte ihren restlichen Wodka so schwungvoll hinunter, dass Sydney sich nur wundern konnte. „Sie haben sich gut aus der Affäre gezogen. Mir scheint, Sie versuchen nicht, gerecht zu sein, sondern sind es instinktiv. Kennen Sie Mikhail schon lange?“
Sie schloss die Frage so überraschend an, dass Sydney schlucken musste. „Nein, noch nicht. Wir lernten uns letzten Monat kennen, als er in mein Büro stürmte und entschlossen war, jedes anwesende Mitglied der Familie Hayward mit seinen Stiefeln zu zertreten.“
„Ich war sehr höflich“, wandte Mikhail sich an sie.
„Sie waren durchaus nicht höflich.“ Sie bemerkte,dass Yuri die Situation Spaß machte, und fuhr fort: „Er war ungewaschen, wütend und bereit, sich mit jedem zu prügeln.“
„Mein Sohn hat das Temperament seiner Mutter geerbt“, erklärte Yuri. „Sie ist sehr feurig.“
„Ein einziges Mal habe ich meinem Mann eine Pfanne auf den Kopf geschlagen. Das hält er mir ständig vor“, beklagte sich Nadia kopfschüttelnd.
„Ich kann dir die Narbe heute noch zeigen. Und hier ist eine weitere.“ Yuri deutete auf seine Schulter. „Wo du die Haarbürste hingeworfen hast.“
„Das tat ich nur, weil du behauptetest, mein neues Kleid wäre hässlich.“
„Es war hässlich“, antwortete Yuri unbekümmert und klopfte sich auf die Brust. „Und hier hast du …“
Würdevoll stand Nadia auf. „Das reicht. Sonst hält mich unser Gast noch für eine Tyrannin.“
„Sie ist eine Tyrannin“, sagte Yuri lächelnd zu Sydney.
„Und diese Tyrannin wünscht, dass wir jetzt den Tisch abräumen und anschließend das Dessert essen.“
Sydney lachte immer noch innerlich, während Mikhail und sie über die Brooklyn Bridge nach Manhattan zurückfuhren. Irgendwann während der langen gemütlichen Mahlzeit hatte sie vergessen, dass sie ihm bösewar. Vielleicht hatte sie auch ein halbes Glas Wein zu viel getrunken. Auf jeden Fall war sie völlig entspannt und erinnerte sich nicht, je so einen angenehmen Sonntag verbracht zu haben.
„Hat Ihr Vater das erfunden?“ Sie kuschelte sich in ihre Ecke und betrachtete Mikhails Profil. „Dass Ihre Mutter mit Gegenständen um sich wirft?“
„Nein, das tut sie tatsächlich.“ Er schaltete den Motor herunter und reihte sich in den Verkehr ein. „Nach mir hat sie einmal mit einem Teller Spaghetti und Fleischklößchen geworfen, weil ich Schimpfwörter benutzt habe.“
Sie lachte fröhlich. „Das hätte ich gern gesehen. Konnten Sie sich ducken?“
Er lächelte ihr rasch zu. „Nicht schnell genug.“
„So etwas habe ich noch nie getan.“ Sie seufzte bei nahe sehnsüchtig. „Das muss sehr befreiend sein. Ihre Familie ist fabelhaft“, fuhr sie nach einer
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