Verfuehrung
heute abend. Wo ist Harry?«
»Sie kühlt sich mit etwas Limonade auf der Terrasse das Gemüt. Die Hitze macht ihr zu schaffen, dem armen Schatz. Aber sie besteht ja drauf, diese schweren Turbane zu tragen. Ich wollte gerade zu ihr gehen, als ich gesehen hab, wie du dich hier heraufschleichst. Du bist also doch gekommen, um zu sehen, wie sich deine kleine Frau hier schlägt, hmm?«
»Ich erkenne einen königlichen Befehl, wenn ich ihn höre, Madame. Ich bin hier, weil Ihr darauf bestanden habt. Also, was soll das heißen, Sophy wird unsichtbar?«
»Schau’s dir selbst an.« Fanny ging zum Geländer und zeigte stolz auf die Menge unter sich. »Sie ist seit dem Augenblick unserer Ankunft von Verehrern umringt. Das war vor einer Stunde.«
Julian richtete den Blick auf das hintere Ende des Ballsaals und suchte mit gerunzelter Stirn nach einem rosa Seidenkleid in dem Regenbogen herrlicher Gewänder unter sich. Dann bewegte sich ein Mann, der Teil einer Gruppe anderer Männer war, und Julian entdeckte Sophy inmitten der Gruppe.
»Was, zum Teufel, macht sie denn da unten?« sagte er barsch.
»Ist das nicht offensichtlich? Sie ist auf dem besten Weg, ein Erfolg zu werden, Julian.« Fanny lächelte befriedigt. »Sie ist unge-heuer charmant und hat keinerlei Schwierigkeiten, Konversation zu machen. Bis jetzt hat sie bereits ein Mittel für Lady Bixbys nervösen Magen verschrieben, einen Umschlag für Lord Thantons Brust und einen Sirup für Lady Yelvertons Hals.«
»Keiner der Männer, die sie momentan umringen, scheint mir medizinischen Rat zu suchen«, murmelte Julian.
»Ganz richtig. Als ich sie vor kurzem verließ, begann sie gerade mit einer Beschreibung von Schafzuchtpraktiken in Norfolk.«
»Verdammt, alles was sie über Schafzucht in Norfolk weiß, hab ich ihr beigebracht. Auf unserer Hochzeitsreise.«
»Na ja, dann muß es dich doch sehr freuen, daß sie das Wissen gesellschaftlich auszunützen weiß.«
Julians Augen wurden schmal, als er die Männer musterte, die sich um seine Frau drängten. Eine große Gestalt mit hellen Haaren und von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet erregte seine Aufmerksamkeit. »Wie ich sehe, hat Waycott keine Zeit verloren, sich ihr vorzustellen.«
»Oje. Ist er auch bei der Gruppe?« Fannys Lächeln verschwand, als sie sich vorbeugte und seinem Blick folgte. »Tut mir leid, Julian. Ich habe nicht damit gerechnet, daß er heute abend hier ist. Aber es war doch klar, daß sie ihm früher oder später begegnen mußte, zusammen mit ein paar anderen Bewunderern von Elizabeth.«
»Ich habe Sophy Eurer Obhut anvertraut, Fanny, weil ich dachte, Ihr hättet genug gesunden Menschenverstand, sie vor Ärger zu bewahren.«
»Deine Frau vor Ärger zu bewahren ist deine Aufgabe, nicht meine«, erwiderte Fanny verärgert. »Ich bin ihre Freundin und Beraterin, mehr nicht.«
Julian war klar, daß das eine Rüge war, weil er sich in der vergangenen Woche kaum um Sophy gekümmert hatte, aber er war nicht in der Stimmung, sich zu verteidigen. Er war viel zu besorgt über den Anblick des gutaussehenden blonden Gottes, der in diesem Augenblick Sophy ein Glas Limonade reichte. Er hatte genau diesen speziellen Ausdruck vor fünf Jahren schon einmal auf Waycotts Gesicht gesehen, nämlich als der Viscount begonnen hatte, sich ständig in Elizabeths Nähe zu bewegen.
Julians Hände ballten sich zu Fäusten, aber er zwang sich mit großer Mühe, ruhig zu bleiben. Beim letzten Mal war er ein liebeskranker Narr gewesen, der die dunklen Wolken, die sich über ihm zusammenbrauten erst sah, als es zu spät war. Dieses Mal würde er rasch handeln und ohne Rücksicht auf Verluste eine neuerliche Katastrophe verhindern.
»Entschuldigt mich, Fanny. Ich glaube, Ihr habt recht. Es ist meine Aufgabe, Sophy zu beschützen, und darum sollte ich mich jetzt kümmern.«
Fanny sah ihn besorgt an. »Julian, bitte sei vorsichtig, wie du die Sache handhabst. Sophy ist nicht Elizabeth.«
»Genau. Und ich habe vor, dafür zu sorgen, daß sie nicht wie Elizabeth wird.« Julian war bereits an der kurzen Treppe, die vom Balkon in den Ballsaal führte.
Sobald er unten angelangt war, fand er sich sofort mit einer Mauer aus Menschen konfrontiert, von denen ihn einige begrüßten und ihm zu seiner kürzlichen Heirat gratulierten. Julian gelang es, höflich zu nicken, die gutgemeinten Komplimente für seine Gräfin zu akzeptieren und die verschleierte Neugier, die sie oft begleitete, zu ignorieren.
Seine Größe gereichte ihm
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