Vergebung
Ich habe auch meine eigenen Ansichten über ihn.«
»Negative? Es ist nicht gut, wenn Sie beide nicht zusammenarbeiten können …«
Erika seufzte.
»Er treibt mich in den Wahnsinn. Holm ist routiniert und zweifellos einer der kompetentesten Nachrichtenchefs, die ich je kennengelernt habe. Gleichzeitig ist er aber ein richtiger Widerling. Er intrigiert und spielt die Leute gegeneinander aus.
Ich arbeite jetzt seit fünfundzwanzig Jahren in der Medienbranche, und mir ist noch nie so ein Mensch in einer leitenden Position begegnet.«
»Er muss ab und zu die Ellbogen ausfahren, um seinen Job gut zu machen. Er bekommt von allen Seiten Druck.«
»Die Ellbogen ausfahren - ja. Aber das bedeutet doch nicht, dass er sich aufführen muss wie ein Idiot. Holm ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass es so gut wie unmöglich ist, die Mitarbeiter hier zum Teamwork zu bewegen. Anscheinend glaubt er, dass er herrschen muss, indem er seine Untergebenen gegeneinander aufhetzt.«
»Harte Worte.«
»Ich gebe Holm einen Monat, sich zu besinnen. Dann werde ich ihn seines Postens als Nachrichtenchef entheben.«
»Das können Sie nicht machen. Ihr Job besteht nicht darin, die Organisation der Zeitung zu zerstören.«
Erika schwieg und musterte den Aufsichtsratsvorsitzenden.
»Entschuldigen Sie, wenn ich Sie darauf hinweise, aber genau dafür haben Sie mich angestellt. Mein Vertrag lässt mir ausdrücklich freie Hand für redaktionelle Veränderungen, die ich für notwendig halte. Mein Auftrag lautet, die Zeitung zu erneuern, und das kann ich nur tun, indem ich in die Organisation und die Arbeitsabläufe eingreife.«
»Holm hat der SMP sein Leben gewidmet.«
»Ja. Aber er ist 58 Jahre alt und wird in sechs Jahren in Rente gehen, und ich kann es mir nicht leisten, ihn während dieser Zeit als Klotz am Bein mitzuschleppen. Missverstehen Sie mich nicht. Seit dem ersten Augenblick, als ich mich in diesen Glaskasten da unten gesetzt habe, besteht meine Lebensaufgabe darin, die Qualität der SMP zu verbessern und die Auflage zu erhöhen. Holm muss sich entscheiden - entweder er macht die Dinge auf meine Art, oder er macht irgendetwas anderes. Ich werde jeden beiseiteschieben, der sich mir in den Weg stellt oder der SMP anderweitig schadet.«
Verdammt … ich muss die Sache mit Vitavara ansprechen. Borgsjö wird gefeuert werden.
Plötzlich musste Borgsjö lächeln.
»Ich glaube wirklich, Sie können auch die Ellbogen ausfahren.«
»Was ich in diesem Fall wirklich bedaure, denn das wäre alles gar nicht nötig. Ich soll eine gute Zeitung machen, und das kann ich nur, wenn die Führung funktioniert und die Mitarbeiter sich wohlfühlen.«
Nach dem Treffen mit Borgsjö humpelte Erika zurück zu ihrem Glaskasten. Ihr war ziemlich unbehaglich zumute. Sie hatte eine Dreiviertelstunde mit Borgsjö gesprochen, ohne Vitavara mit einer Silbe zu erwähnen. Mit anderen Worten, sie war nicht besonders ehrlich zu ihm gewesen.
Als sie ihren Computer hochfuhr, hatte sie eine Mail von . Da sie genau wusste, dass bei Millennium keine derartige Adresse existierte, konnte sie sich leicht ausrechnen, dass es sich um ein neues Lebenszeichen von ihrem cyber stalker handeln musste. Sie öffnete die Mail.
GLAUBST DU, BORGSJÖ KÖNNTE DICH RETTEN, DU KLEINE NUTTE? WIE GEHT’S DEINEM FUSS?
Sie hob den Kopf und ließ den Blick über die Redaktion schweifen. Bei Holm blieb er hängen. Er sah sie an. Dann nickte er ihr zu und lächelte.
Irgendjemand in der SMP schreibt mir diese Mails , dachte sie.
Das Treffen beim Verfassungsschutz endete erst nach 17 Uhr. Man einigte sich darauf, in der nächsten Woche ein weiteres Treffen abzuhalten. Mikael Blomkvist sollte sich an Monica Figuerola wenden, wenn er schon vorher Kontakt mit der RPF/Sich aufnehmen wollte. Mikael nahm seine Laptoptasche und stand auf.
»Wie finde ich hier wieder raus?«, fragte er.
»Sie dürfen hier auf keinen Fall alleine durch die Korridore laufen«, protestierte Edklinth.
»Ich bring ihn raus«, erbot sich Monica Figuerola. »Warten Sie ein paar Minuten, dann kann ich noch schnell meine Sachen zusammensammeln.«
Sie gingen gemeinsam durch den Kronobergspark in Richtung Fridhemsplan.
»Und, wie geht’s jetzt weiter?«, wollte Mikael wissen.
»Wir bleiben in Kontakt«, antwortete Monica Figuerola.
»Langsam gefällt es mir, mit der SiPo Kontakt zu haben«, bemerkte Mikael lächelnd.
»Hätten Sie Lust, heute Abend was essen zu gehen?«
»Wieder in
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