Vergesst Auschwitz!: Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage (German Edition)
Sendung auch nur ein Mal gehört habe, der wisse, dass der Vorwurf, er leugne den Holocaust, »absurd« sei. Zum Beweis spielte er ein Interview mit einem Künstler ein, der die Aktion »Stolpersteine« initiiert hatte, um an die aus Deutschland deportierten Juden zu erinnern. Bei der Gelegenheit bedankte sich Jebsen bei »Fritz« und beim RBB für das ihm erwiesene Vertrauen.
Das währte genau zwei Wochen. Am 23. November gab der RBB bekannt, man beende »die Zusammenarbeit mit KenFM-Moderator Ken Jebsen«. Die Programmdirektorin Claudia Nothelle begründete den Schritt folgendermaßen:
Der Sender hat Herrn Jebsen gegen den Vorwurf verteidigt, er sei Antisemit und Holocaust-Leugner. Allerdings mussten wir feststellen, dass zahlreiche seiner Beiträge nicht den journalistischen Standards des rbb entsprachen. Daraufhin haben wir mit ihm verbindliche Vereinbarungen über die Gestaltung der Sendung KenFM getroffen. Diese hat er wiederholt nicht eingehalten. Wir bedauern das und müssen auf seine Mitarbeit künftig verzichten.
Das war mehr als kryptisch. Welche Vereinbarungen getroffen und nicht eingehalten wurden, welche der Beiträge den »journalistischen Standards des RBB« nicht entsprachen, das alles behielt die Programmdirektorin für sich.
Dafür verteidigte sie den gefeuerten Moderator ein letztes Mal gegen den Vorwurf, ein Antisemit und Holocaust-Leugner zu sein, denn wäre dem so, dann wäre der Vorwurf auf den RBB zurückgefallen, der ihn beschäftigt hat. Eher gibt eine Oma aus Altötting auf dem Totenbett zu, dass sie als junge Frau auf dem Strich gearbeitet hat, als dass ein öffentlich-rechtlicher Sender einräumt, dass er einem Antisemiten eine Programmnische geboten hat.
Mit dem beliebten Moderator musste auch der zuständige Wellenchef gehen: »Stefan Warbeck (45) gibt auf eigenen Wunsch die Programmverantwortung für das rbb-Jugendprogramm ›Fritz‹ ab … Er sieht sich nicht mehr in der Lage, das Programm angemessen zu leiten.«
Es war einer jener Momente, da ich gerne unsichtbar unter dem Schreibtisch der Programmdirektorin gesessen hätte. Hatte sie ein Fenster in ihrem Büro aufgemacht und »Warbeck, springen Sie!« gerufen, oder musste sie ihm damit drohen, ihn an den MDR auszuleihen, bevor der »Fritz«-Chef freiwillig sein Amt aufgab?
Während das »neue deutschland« den gefeuerten Moderator sogleich zu einem Opfer der Herrschaftsverhältnisse erklärte (»Rausschmiss eines Unbequemen«), gerieten seine Hörer dermaßen außer Rand und Band, dass man sich fragen musste, ob »Fritz« wirklich die Jugendwelle des RBB ist oder die Welle, auf der die Jungen Nationaldemokraten surfen. »Fette Judenfotze. Nachdem ich deinen Rotz gelesen habe, weiß ich jetzt, woher der Antisemitismus in Deutschland herkommt« war noch eine der freundlicheren Zuschriften, die ich bekam, dicht gefolgt von: »Leute wie Broder sind der Grund dafür, dass es Antisemitismus in Deutschland überhaupt noch gibt«, und: »Bitte, bitte machen Sie ein Bild von sich selbst in dem Sie hinterhältig grinsen und sich die Hände reiben und posten dies als Bild der Woche auf achgut. Das wäre grandios.« Irgendwo in Brandenburg musste ein Kanalrohr geplatzt sein, und was aus dem Leck strömte, war das Elixier des Antisemitismus, rein und unverfälscht. Jebsen selbst mag ein aufgeblasener Dummbatz sein, der sich der Tragweite seiner Äußerungen nicht bewusst ist. Für den RBB aber war er »ein Moderator, der die jungen Hörerinnen und Hörer für Politik und Demokratie begeistern und sie zum Mitwirken anregen will« (Nothelle), einer, der »polarisieren muss und dabei auch provozieren darf« (RBB-Sprecher Volker Schreck).
Und das würde er noch immer tun, die jungen Hörerinnen und Hörer für Politik und Demokratie begeistern, ihnen die wahren Hintergründe der Anschläge von 9/11 erklären und mit Stolpersteinen zur Erinnerung an deportierte Juden hantieren, wenn er nicht über eine dumme Mail an einen Hörer gestolpert wäre.
And then the shit hit the fan.
Abbildung 8
Wie der Herr, so das Gscherr
Nicht der Leitartikel, der Leserbrief ist das Spitzenangebot im Supermarkt der Meinungsfreiheit. Aus keinem anderen Grund verfasst als dem, Dampf abzulassen, ist er authentischer als jeder professionelle Kommentar zum Zeitgeschehen. Das Diktum von Paul Sethe, »Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten«, wurde durch das Internet außer Kraft gesetzt. Nicht ganz, aber
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