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Vergesst Auschwitz!: Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage (German Edition)

Vergesst Auschwitz!: Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage (German Edition)

Titel: Vergesst Auschwitz!: Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk M. Broder
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»islamisierten« Antisemitismus von jeder Verantwortung freisprach und die Schuld mal wieder der Gesellschaft zuschob. Frau Wetzel vergaß nur zu erklären, warum ein Jugendlicher, der soziale Ausgrenzung und Chancenlosigkeit auf dem Arbeitsmarkt erlebt, ausgerechnet zum Antisemiten wird. Warum fängt er nicht an, die polnischen Schwarzarbeiter, die Radfahrer, die Vegetarier oder Frauen mit Doktortitel für seine Misere verantwortlich zu machen? Warum, mal wieder, die Juden?
    Die Antisemitismusforscher hinken nicht nur dem Gegenstand ihrer Mühen hinterher, sie haben das gleiche Problem wie eine Katze, die Mäuse jagen soll. Die Mäuse geben das Tempo und die Richtung vor. Und würden die Antisemitismusforscher endlich die magische Formel finden, wie man Antisemiten rehabilitiert, könnten sie ihre Forschungszentren zumachen. Sie können nicht einmal erklären, wie es denn kommt, dass immer mehr Mittel und mehr Personal für die Aufklärung über und den Kampf gegen Antisemitismus bereitgestellt, immer neue Initiativen gegründet werden – und dass alle diese Anstrengungen keine Wirkung zeigen. Man kann eben eine schwere Psychose nicht durch Handauflegen heilen.
    Am Ende sind auch hauptamtliche Antisemitismusforscher nicht davor gefeit, Opfer einer »déformation professionelle« zu werden, wie zum Beispiel Psychiater, die irgendwann anfangen, die Patienten zu verachten, die sich in ihre Behandlung begeben.
    Anfang 2010, den Ruhestand schon vor Augen, veröffentlichte Benz in der »Süddeutschen Zeitung« einen Text über »Feindbilder« als »Produkte von Hysterien«. Als »das klassische Beispiel« einer Feindbild-Konstruktion nannte er die »Protokolle der Weisen von Zion«, ein antisemitisches Pamphlet vom Ende des 19. Jahrhunderts, »das eine jüdische Weltverschwörung belegen sollte«. Wer sich freilich, so Benz, »über die Borniertheit der Judenfeinde entrüstet, muss aber auch das Feindbild Islam kritisch betrachten«, es sei »ein Gebot der Wissenschaft, die Erkenntnisse, die aus der Analyse des antisemitischen Ressentiments gewonnen wurden, paradigmatisch zu nutzen«. Diese paradigmatische Nutzung des antisemitischen Ressentiments bei der Betrachtung des Feindbildes Islam, so Benz, weise »historische Parallelen« zur Gegenwart auf: »Derzeit wird der Islam gedanklich mit Extremismus und Terror verbunden, wodurch alle Angehörigen der islamischen Religion und Kultur mit einem Feindbild belegt und diskriminiert werden sollen.« Dabei gehe es aber »nicht mehr um die Emanzipation von Juden, sondern um die Integration von Muslimen«.
    Dem könnte man erstens ganz sachlich entgegenhalten, dass der Islam nicht »gedanklich«, sondern faktisch mit Extremismus und Terror verbunden wird, wozu einige Moslems wesentlich beigetragen haben – in New York und London, in Madrid und Mumbai, auf Bali und Djerba, nur um einige der Mega-Events aus dem Programm der Terroristen zu nennen. Zweitens gibt es einen sehr wesentlichen Unterschied zwischen der Emanzipation der Juden und der Integration von Muslimen: Die meisten Juden wollten sich emanzipieren, ohne dass für sie ein engmaschiges Sozialnetz ausgebreitet wurde; viele Moslems wollen sich nicht integrieren, obwohl ihnen eine Armee von Integrationshelfern rund um die Uhr mit Rat und Tat unter die Arme greift. Die Juden waren auf sich allein gestellt. Sie mussten sich assimilieren oder sie blieben sozial und ökonomisch auf der Strecke. Die Moslems wandern in ein Sozialsystem ein, das nichts von ihnen verlangt. Es hat auch noch nie einen »Integrationsgipfel« im Kanzleramt gegeben, der sich mit den Nöten der eingewanderten Polen, Russen und anderen Osteuropäern beschäftigte, und keine Deutsche Zen-Buddhismus-Konfuzianismus-Hinduismus-Konferenz beim Innenminister, an der die Vertreter der verschiedenen asiatischen »Communities« teilnahmen. Von einem Wissenschaftler, der so entschieden sein Recht verteidigt, die »Islamophobie« mit dem Antisemitismus, Bananen mit Rüben und Militärkapellen mit Kammermusikensembles vergleichen zu dürfen, sollte man erwarten, dass er solche kleinen paradigmatischen Differenzen nicht übersieht.
    Man könnte sich mit dem Gedanken trösten, dass Antisemitismusforscher keine Ahnung vom Antisemitismus haben und nur Theorien auf ihre Belastbarkeit prüfen. Das wäre nicht weiter schlimm, denn auch die meisten Ökonomen wissen nicht, wovon sie reden. Sie erklären uns heute, was gestern passieren musste, aber sie sagen uns nicht, was

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