Vergiss das mit dem Prinzen: Roman (German Edition)
trug zitronengelbe Jeans und einen lindgrünen Pullover! Natürlich dachte ich, das wäre eindeutig.«
»Darling, kannst du wirklich nicht zwischen einem Homosexuellen und einem Fauxmosexuellen unterscheiden?« Tickys Brauen berührten sich fast, als sie besorgt die Stirn runzelte. Innerhalb weniger Sekunden schien ihr Ärger in echte Besorgnis überzugehen.
»Fauxmosexuell?«, fragte ich.
»Ja, so nennt man jemanden, der teure Cremes und Peelings verwendet, dessen modisches Interesse ans Tuntige grenzt und der trotzdem ein ganzer Mann ist. Hast du noch nie davon gehört?«
»Martin hat kein Peeling benutzt.«
»Manchmal bist du wirklich rückständig, Roars. Okay, lass es dir erklären. Ein Fauxmosexueller verwirrt naive Leute, weil er insgeheim hetero ist. So ähnlich wie ein trojanisches Pferd.« Ticky kam herüber und setzte sich auf meinen Schreibtisch, um mir eine besonders wertvolle Lektion zu erteilen. »Er gaukelt den Frauen vor, er wäre schwul, damit er näher an sie rankommt. Dann finden sie ihn weniger bedrohlich. Und sobald sie ihm vertrauen, fällt er über sie her.«
»O Gott.« Schaudernd erinnerte ich mich, wie entsetzt Lance versichert hatte, er sei nicht schwul. »Woher weißt du das alles, Ticky?«, ächzte ich und hielt mir die Augen zu, als könnte ich mich vor der ganzen Welt verstecken. »Und warum habe ich davon keine Ahnung?«
»Das habe ich dir doch gesagt, Roars. So was lernt ein Mädchen nur bei Begegnungen mit unpassenden Männern. Darin liegt der Sinn solcher Dates.«
Ich stöhnte. Wenn der Zwischenfall mit Lance auf meine Raffinesse bei Dates hinwies, sollte ich vielleicht den Lebensstil einer Halb-Einsiedlerin wie Tante Lyd vorziehen. Wenigstens würde mich das vor wilden Spekulationen über sexuell doppeldeutige Fremde in ländlichen Hotels retten.
»Siehst du jetzt ein, wie dringend du Dates brauchst?« Ticky startete einen weiteren Angriff auf meinen geschwächten Abwehrmechanismus. »Nachdem du so dämlich bist und nicht einmal merkst, wer schwul ist und wer nicht – führt dir das nicht irgendwas vor Augen?«
Was, abgesehen von meiner Dummheit? Zweifellos war ich eine Idiotin voller Vorurteile mit funktionsunfähigem Schwulen-Radar. Trotzdem wollte ich Ticky noch nicht recht geben.
Da rettete mich der Anblick Noonoos, die ihren malvenfarbenen Paschmina-Schal über eine Schulter warf und zielstrebig durch den Korridor zum Konferenzraum eilte.
»Redaktionsmeeting!«, rief ich mit einem lebhaften Enthusiasmus, der eher meiner Erleichterung entsprang als echter Vorfreude.
»Ach, verdammt«, jammerte Ticky. »Heute ist nicht nur Redaktionsmeeting, sondern dieses Scheißkreativmeeting.«
Das Redaktionsmeeting am Dienstag war stets der Tiefpunkt der Woche. Aber das Kreativmeeting fanden wir am allerschlimmsten – einmal im Monat sollten die Mitarbeiter in der Redaktionssitzung Themen für die nächste Country-House -Ausgabe vorschlagen.
In der Zeit vor Amanda war es in den endlosen Besprechungen um alltägliche Fragen gegangen. Zum Beispiel hatte man eine Stunde oder noch länger über die Vorzüge oder Mängel eines Teppichklopfers diskutiert. Amanda straffte die Zügel, ihre Meetings nervten nicht mehr so sehr, dauerten aber immer noch zwei betäubende Stunden lang. Und ihr Ziel, die Prozedur zu verkürzen, erreichte sie mit der ziemlich brutalen Ablehnung diverser Ideen.
Molly, die ständig errötende Praktikantin, seit zwei Wochen bei Country House , eröffnete das Meeting mit einem Vorschlag für ihren ersten Artikel. Daran hatte sie die ganze Nacht gearbeitet. Das wusste ich, weil ich selbst einmal in dieser Situation gewesen war, nicht bereit für eine Rückkehr zu Tante Lyd und eine neue Dosis liebevoller Durchhalteparolen und Passivrauchens.
»Äh – ich …«, begann Molly, schon jetzt der Verdammnis nahe. Unsere Meetings waren rauere Versionen der BBC -Spielshow, bei der die Teilnehmer nur eine Minute über ihre Themen reden durften. Jedes Zögern und alle Abweichungen wurden prompt bestraft. »Also, ich schlage einen Artikel vor …«
»Das ist mir klar«, fauche Amanda, »deshalb halten wir ein Redaktionsmeeting ab. Kommen Sie zur Sache.«
»Äh …« Die Papiere in Mollys Hand fingen zu zittern an. »Also – Tapeten, von den frühen handgemalten chinesischen Exemplaren, mit Bezug auf Chatsworth, bis zu den Sanderson-Archiven.«
»Jaaa.« Amanda tippte auf der Tastatur ihres Laptops. Meistens nutzte sie unsere Meetings, um ihre E-Mail-Korrespondenz
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