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Vergiss die Toten nicht

Vergiss die Toten nicht

Titel: Vergiss die Toten nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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der im Vorgarten stand. Doch dann war da auch noch das Brummen des Motors, als ihr Nachbar, ein Barkeeper, in den frühen Morgenstunden seinen Wagen in der Auffahrt abstellte. Und kurz darauf hörte sie das Rattern eines Güterzuges von den nahe gelegenen Gleisen.
    Um fünf Uhr gab sie es auf. Sie schlüpfte aus dem Bett und zog ihren Chenillebademantel an. Als sie den Gürtel zuband, bemerkte sie, wie viel sie seit Jimmys Tod abgenommen hatte.
    Auch eine Methode, Diät zu machen, dachte sie finster.
    Lisa war felsenfest davon überzeugt, dass die zuständigen Detectives sofort wieder bei ihr erscheinen würden, nachdem Nel MacDermott ihnen alles erzählt hatte. In seinen neun Monaten bei Sam Krause war Jimmy auf verschiedenen Baustellen tätig gewesen. Nun wollte Lisa herausbekommen, welche Baustellen das genau gewesen waren – und wann.
    Vielleicht würde sie der Polizei dann erklären können, womit genau er sich beschäftigt hatte, als seine schweren Depressionen einsetzten.
    Sie war sicher, dass die Lösung des Rätsels, was er für das Schmiergeld getan – oder nicht getan – hatte, auf der Baustelle zu finden war.
    Auf dem Weg nach unten warf Lisa einen Blick in die Kinderzimmer. Kyle und Charley schliefen tief und fest in ihren Betten, die nebeneinander standen und sich in dem kleinen Raum fast berührten.
    Im fahlen Morgenlicht betrachtete sie ihre Gesichter. Kyles Kiefer wurde schon markanter und wies darauf hin, dass er bald ein junger Mann sein würde. Er wird immer mager sein, das hat er von meiner Familie, dachte sie.
    Charley war kräftiger gebaut, er würde einmal breitschultrig werden wie Jimmy. Beide Jungen hatten sein rotes Haar und die haselnussbraunen Augen geerbt.
    Kelly bewohnte das kleinste Zimmer – eher ein Wandschrank, hatte Jimmy immer gesagt. Ihr schlanker Körper war auf dem Bett zusammengerollt. Das lange, hellblonde Haar fiel ihr über Wange und Schultern.
    Unter ihrem Kopfkissen lugte ihr Tagebuch hervor. Sie schrieb fast jeden Tag etwas hinein. Angefangen hatte es als Schulprojekt, doch sie hatte die Gewohnheit beibehalten. »Es ist streng vertraulich«, hatte sie feierlich verkündet. »Und die Lehrerin hat gesagt, unsere Familien müssten unsere Privatsphäre achten.«
    Alle hatten hoch und heilig geschworen, es nicht zu lesen. Und da Jimmy bemerkte, dass Kyle und Charley verschwörerische Blicke wechselten, hatte er für Kelly einen Kasten mit einem Schloss gebaut, der auf ihrer Kommode stand. Zu dem Kasten gab es zwei Schlüssel. Einen trug Kelly an einer Kette um den Hals, den anderen hatte Lisa in ihrer Kommode versteckt, falls der andere einmal verloren gehen sollte.
    Kelly hatte Lisa das große Indianerehrenwort abgenommen, dass sie den Kasten nie öffnen würde. Und bis jetzt hatte Lisa ihr Versprechen auch gehalten. Doch als sie nun ihr schlafendes Kind betrachtete, wurde ihr klar, dass sie gezwungen war, es zu brechen.
    Es lag nicht nur daran, dass sie wissen musste, was Kelly, der Liebling ihres Vaters, im Augenblick dachte und fühlte. Viel wichtiger war, was die feinfühlige, aufmerksame Kelly möglicherweise über Jimmy geschrieben hatte, in der Zeit, als er in Depressionen verfiel.

67
A
    m frühen Donnerstagmorgen traf Dan Minor im Krankenhaus ein. Er hatte drei Operationen vor sich, von denen die erste um sieben Uhr angesetzt war. Später an diesem Tag konnte er zu seiner Freude einen fünfjährigen Patienten entlassen, der einen Monat lang im Krankenhaus gelegen hatte.
    In seiner üblichen scherzhaften Art wehrte er die Dankesbekundungen der Eltern ab. »Nehmen Sie ihn besser gleich mit, die Schwestern sammeln nämlich schon Unterschriften, um ihn zu adoptieren.«
    »Ich hatte solche Angst, er könnte für den Rest seines Lebens entstellt sein«, sagte die Mutter.
    »Na, ein paar Narben wird er schon zurückbehalten, doch die werden ihm in zehn oder zwölf Jahren bei den Mädchen nicht schaden.«
    Erst um eins hatte Dan Zeit, sich in der Kantine ein Sandwich und einen Becher Kaffee zu holen und in Cornelius MacDermotts Büro anzurufen, um nachzufragen, ob man etwas über seine Mutter in Erfahrung gebracht hatte. Er wusste, dass es unwahrscheinlich war, schließlich war erst ein Tag vergangen.
    Aber er konnte einfach nicht anders. Gewiss ist er zu Tisch, dachte er, als er die Nummer wählte.
    Liz Hanley nahm nach dem ersten Läuten ab. »Er ist in seinem Büro, Herr Doktor«, sagte sie. »Doch ich muss Sie warnen.
    Auch wenn der Herrgott selbst auf einem Dreirad

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