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vergissdeinnicht

vergissdeinnicht

Titel: vergissdeinnicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cat Clarke
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war. Ich umarmte ihn.
    »Sprich mit Devon. Ruf mich irgendwann an. Alles ist gut.« Ich war sehr von mir beeindruckt, weil ich so erwachsen damit umging. Ich fühlte mich wahnsinnig reif.
    »Sicher?«
    »Klar.« So leicht, wie leicht nur sein kann. Ich küsste Nat schnell auf den Mund, sagte fröhlich Tschüs und ging aus seinem Zimmer, ohne mich umzusehen.
    Ich war schon unten an der Treppe, als Nat mir nachrief: »Grace!« Ich schaute hoch und sah sein Gesicht über dem Geländer.
    »Danke, dass du so unglaublich bist. Das meine ich ernst. Du bist wirklich … Du bist mir echt wichtig. Ich wollte nur, dass du das weißt.« Ich wollte die Treppe raufrennen und ihm zeigen, wie unglaublich ich sein konnte, aber ich war so mit meinem »neuen, reifen Ich« beschäftigt (auch, wenn es das nur vorübergehend gab), dass ich Nat mit einem gewinnenden Lächeln belohnte undleise »Ich weiß« sagte. Dann verschwand ich, raus aus der Tür und die Straße runter. Ich gab mein Bestes, mich an Nats Abschiedsworte zu erinnern, statt an das Komische, das vorher passiert war.
    * * *
    Ich hab’s dann doch geschafft, eine Weile zu schlafen. Aber es muss früh sein. Ethan war noch nicht mit meinem Frühstück hier. Ich verhungere. Ich frühstücke so gut wie nie zu Hause, was Mum ziemlich nervt. Als ich fünfzehn war, versuchte ich, mit einer Tasse schwarzem Kaffee in den Tag zu starten. Ich machte gerade so eine »Nullbockgenerationsphase« durch. Ich fand den Geschmack schrecklich. Ich musste nach jedem Schluck aufpassen, dass ich das Gesicht nicht verzog. Aber es lohnte sich, weil es Mum so tierisch auf die Nerven ging. Sie war ganz »Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages« und »Ein Mädchen in deinem Alter sollte so was nicht trinken«. Was absolut der falsche Weg war, mich dazu zu bringen, das zu tun, was sie wollte. Mütter können so dumm sein. Tut einfach so, als würdet ihr gut finden, was wir machen. Wir werden schon bald das genaue Gegenteil tun, nur um es euch zu zeigen.
    Jedenfalls werde ich jetzt meinen knurrenden Magen ignorieren und versuchen, nicht mehr an vor Fett triefenden gebratenen Speck auf Toast mit einem Klecks Ketchup zu denken. Oder an ein gekochtes Ei mit Brotstreifen …
    * * *
    Am Tag nach dem Devon-Debakel passierte etwas Überraschendes.
    Sal schickte mir eine SMS : »Muss mit dir reden. Bitte!«
    Ich hatte keine Ahnung, was ich davon halten sollte. Die Nachricht machte mir Hoffnung und Angst und alles dazwischen. Ich dachte kurz darüber nach, Sal ein paar Tage zappeln zu lassen,aber da ich ja jetzt so erwachsen war, schrieb ich ihr sofort ein einfaches »Okay« zurück. Ich würde ganz sicher nichts preisgeben, wenn sie es nicht tat. Ich musste nur ein paar Sekunden auf die Antwort warten. »Danke. An den Schaukeln? Um neun?« Gott weiß, warum sie dahin zurückgehen wollte.
    Unser Streit war nun gute zwei Monate her. Ich konnte nur schwer glauben, dass ich sie seit diesem lächerlichen Abend nicht mal mehr gesehen hatte. Ich hatte immer nach ihr Ausschau gehalten, wenn ich unterwegs gewesen war, besonders, wenn ich mit Nat unterwegs gewesen war. Halb hoffte ich, sie würde sehen, wie glücklich ich ohne sie sein konnte. Und halb hoffte ich, dass alles wie durch Zauberei wieder gut sein würde, wenn wir uns erst wieder gegenüberstanden.
    Als ich losging, um Sal zu treffen, wurde es gerade dunkel. Ein paar Leute hingen noch im Park rum, spielten Frisbee, tranken Bier und taten so, als sei ihnen nicht kalt. Zwei Vierzehnjährige saßen auf den Schaukeln und schoben sich gegenseitig die Zunge in den Hals. Nett . Ich setzte mich auf eine Bank etwas entfernt und sah alle paar Minuten auf die Uhr. 9:09 Uhr, und immer noch keine Sal.
    Und dann tippte mir jemand auf die Schulter und sagte leise »Hey«. Sal ging um die Bank herum und setzte sich neben mich. Ich sagte auch »Hey« und musterte sie im Dämmerlicht. Sie sah anders aus. Sie hatte sich die Haare schneiden lassen, was ihr gut stand. Aber sie war so dünn. Sie war nicht geschminkt, und die dunklen Ringe unter ihren Augen waren kilometerweit zu sehen. Ich erschrak darüber, was zwei Monate ausmachen konnten. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich immer noch nach der guten alten Grace aussah – abgesehen von einem Monsterpickel auf dem Kinn, der jeden Moment aufzuplatzen drohte.
    Ich sprach als Erste. »Also … wie war’s so bei dir?« Ich konnte nicht anders, ich lachte nervös über meine blöde Frage. Sal lächelte sogar. »Ich

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