Verheißenes Land
schon, tu mir den Gefallen!«
Éanna warf ihm einen misstrauischen Blick zu. »Du bist doch hoffentlich nicht auf die verrückte Idee gekommen, auch Goldgräber werden zu wollen, oder? Denn dann kannst du alleine im Dreck buddeln, das sage ich dir! Die Goldsuche ist das reinste Glücksspiel, dafür haben wir nicht so hart gearbeitet und gespart. Ich bin mir sicher, Emily ist der gleichen Meinung!«
»Mein Gott, reg dich doch nicht gleich so auf, nur weil ich mal in so einen Laden schauen möchte! Ich habe überhaupt nicht gesagt, dass ich Gold schürfen will«, verteidigte er sich mit gekränkter Miene. »Ich finde es einfach spannend. Ein kleiner Spaß zwischendurch! Dagegen wirst du doch wohl nichts haben, oder?«
»Wenn es ein Spaß bleibt, dann nicht«, sagte Éanna missmutig. Sie war noch immer nicht ganz überzeugt davon, dass nur reine Neugier hinter Brendans Interesse steckte. Doch er war schon ins Innere geeilt und kramte begeistert in den Regalen und Kisten. Ihm zuliebe gab sie ihren Widerstand auf und folgte ihm in den Laden.
Elftes Kapitel
Während Brendan eifrig im Geschäft umherging und sich alles aufmerksam ansah, blieb Éanna am Eingang stehen. Sie interessierte sich wahrlich nicht für all die Schaufeln, Spitzhacken, Vorschlaghämmer, Brechstangen, Waschpfannen, Schüttelsiebe, Goldwaagen und was da sonst noch alles angeboten wurde. Als Brendan ihr eine Broschüre in die Hand drücken wollte, die dem Leser angeblich den schnellsten und einfachsten Weg zum Erfolg auf den Goldfeldern verriet, schüttelte sie nur verächtlich den Kopf. Ihr reichten die vollmundigen und wenig vertrauenerweckenden Versicherungen des dickbäuchigen Inhabers, der gerade eine Gruppe von Männern in der typischen Städterkleidung beschwatzte. Mithilfe seiner Publikationen, so garantierte er ihnen, würden sie im Handumdrehen ein goldhaltiges Claim finden und dann bald gemachte Männer sein. Auch Brendan lauschte dem Verkäufer beinahe andächtig. Als er sich endlich von den Handbüchern und Broschüren losriss und sie wieder hinaus auf die Straße traten, liefen sie dem strohblonden Daniel Erickson geradewegs in die Arme.
»Schau an! Wenn das nicht die verhinderte Diebesfängerin von der Selkirk ist«, rief er freudig überrascht. »Schon auf dem Weg zu einer dicken Goldgrube?« Seine blauen Augen blitzten mit gutmütigem Spott.
»Das wäre mir aber neu«, erwiderte Éanna abwehrend. »So dumm werden wir sein, unsere Zukunft auf solche Hirngespinste aufzubauen!«
»Da bin ich von Herzen froh, Miss«, sagte Erickson und fuhr mit einer Kopfbewegung in Richtung des Ladens fort: »Die wahren Goldgruben sind doch diese Geschäfte, die einem all den Plunder andrehen wollen, mit dem man angeblich über Nacht reich wird.«
»Ach ja? Und wieso seid Ihr Euch so sicher, dass man in Kalifornien nicht wirklich schnell zu Reichtum kommen kann? Wart Ihr etwa schon dort?«, fragte Brendan bissig. Die kindliche Freude, mit der er eben noch im Geschäft gestöbert hatte, war von seinem Gesicht verschwunden.
»Nein, aber das ist auch nicht nötig. Für diese Erkenntnis braucht man doch bloß hier durch die Straßen zu gehen und die Läden zu zählen«, antwortete der Schwede. »Wenn es so kinderleicht ist, als Goldschürfer reich zu werden, warum arbeiten diese Leute dann noch hier als Krämer und sind nicht selbst schon längst auf den Goldfeldern? Ich denke, die Antwort ist offensichtlich.«
Éanna nickte. »In der Tat!«
Auch wenn sie es nicht offen sagen konnte, so war sie doch froh, dass Erickson ihre Meinung teilte. Sie hoffte nur, dass Brendan gut zugehört hatte und sich überzeugen ließ.
»Da wir einander nun schon das zweite Mal begegnet sind, wäre es mir eine Freude, Euren werten Namen zu erfahren«, bat Daniel Erickson jetzt höflich. »Zumal wir uns wohl auch in Zukunft des Öfteren über den Weg laufen werden. Ich sah Euch nämlich vorgestern aus dem Zelt von Nathan Palmer kommen, mit dessen Treck auch ich nach Westen ziehen werde.«
»Welch ein Zufall! Ja, wir haben uns ebenfalls bei ihm eingeschrieben«, bestätigte Éanna erfreut und wollte sich vorstellen. »Mein Name ist …«
Schnell fiel Brendan ihr ins Wort und verkündete schroff: »Meine Verlobte heißt Éanna Sullivan und ich bin Brendan Flynn!«
»Also, bis dann, Miss Sullivan … Mister Flynn!« Erickson tippte kurz an die Krempe seines Hutes. »Wir werden auf dem Wagenzug bestimmt noch viel Gelegenheit haben, miteinander zu reden. Derweil wünsche
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