Verheißenes Land
bekleidet waren.
Kaum waren die Shawnees in Sicht gekommen, als sich die aufgeregte Kunde innerhalb weniger Augenblicke wie ein Lauffeuer von der Spitze der Kolonne bis an ihr Ende ausbreitete. Augenblicklich griffen die Männer zu ihren Waffen. Überall hörte man das harte metallische Klicken von entsicherten Gewehren und das Spannen von Revolverhähnen, während die Mütter ihre Kinder ängstlich zurück zu den Wagen riefen.
»Runter mit den Waffen!«, brüllte Jeremiah Fennmore, der an diesem Morgen noch nicht außer Sicht des Wagenzuges entschwunden war. »Von diesem Pack Wegelagerer ist nichts weiter zu befürchten als die Flöhe, die sie mit sich tragen. Die Burschen sind sesshaft und schlimmstenfalls lästige Schmarotzer. Also steckt bloß Gewehre und Revolver weg!«
»Ihr habt gehört, was der Scout gesagt hat«, rief Captain Palmer, der an seiner Seite ritt. »Mister Fennmore wird mit diesem Gesindel den Wegzoll aushandeln!«
Aber dazu kam es erst gar nicht. Denn die Seligmanns hatten an diesem Morgen mit ihrer rollenden Baumschule die Spitze der Kolonne übernommen. Und als die drei Wagen mit ihren Bäumen auf den Elm Creek zurumpelten, wichen die Shawnees von der Brücke zurück. Mit fast andächtigem Staunen schauten sie auf den jungen Wald, der die Frachträume der drei Prärieschoner ausfüllte. Sie machten nicht einmal den Versuch, dem Wagenzug den Zugang zur Brücke zu verwehren und mit dem Scout um die rechte Höhe des Wegzolls zu feilschen.
Mit einer verächtlichen Geste warf der Scout der fünfköpfigen Gruppe je einen Beutel Glasperlen und Tabak vor die Füße, während die Wagen der Seligmanns schon über die Brücke rollten.
»Die Rothäute habe ich mir aber ganz anders vorgestellt«, sagte Brendan enttäuscht, als sie an den Shawnees vorbeikamen und den Fluss überquerten. »Jedenfalls nicht so erbarmungswürdig und zerlumpt. Ich hätte niemals gedacht, dass sie wie Bettler aussehen.«
»Ich glaube, wir dürfen nicht zu voreilig sein. Indianer ist nicht gleich Indianer, habe ich gehört«, bemerkte Emily. »Die von der kriegerischen Sorte wie die Sioux leben weiter im Westen und mit denen soll nicht so leicht Kirschen essen sein wie mit diesen hier!«
»Ich hätte nichts dagegen, wenn sie beim Anblick unseres rollenden Waldes genauso beeindruckt wären wie die Shawnees«, sagte Éanna. »Eine Schießerei mit Sioux auf dem Kriegspfad ist wirklich das Letzte, was wir gebrauchen können.«
Brendan verdrehte die Augen. »Jetzt macht euch doch nicht so verrückt. Wahrscheinlich sind die Sioux genauso harmlos wie diese Rothäute und haben es einfach nur auf unser Geld abgesehen.«
Warum die Shawnees so rasch den Weg über die Brücke freigegeben hatten, erfuhren sie später von Patrick. Er hatte das Glück gehabt, ein kurzes Gespräch mit dem Scout zu führen, bei dem er Jeremiah Fennmore etwas mehr als die üblichen einsilbigen Antworten hatte entlocken können.
Was wohl auch daran lag, dass der Scout an diesem Tag ungewöhnlich nüchtern war.
»Die Wagen der Seligmanns scheinen für unseren Zug ein wahrer Segen zu sein, wenn es um Indianer geht«, erzählte er. »Jedenfalls nach dem, was mir der Scout erzählt hat.«
»Und wieso?«, fragte Éanna.
»Weil die Indianer glauben, dass der Große Geist, den sie als Gottheit verehren, in den Bäumen wohnt. Deshalb ist es bei vielen Stämmen auch Sitte, ihre Toten nicht in der Erde zu begraben, sondern sie als letzte Ruhestätte im Geäst von Bäumen zu lassen«, wiederholte er, was er von Jeremiah Fennmore erfahren hatte. »Als die Shawnees die Bäume der Seligmanns gesehen haben, waren sie offenbar überzeugt davon, dass sie unter dem besonderen Schutz des Großen Geistes stehen.«
Éanna nickte. »Das soll uns nur recht sein! Wir können auf dem Trail allen Schutz und jedes Quäntchen Glück gut gebrauchen.«
Dass ein Treck nach Westen aber nicht nur monatelange Strapazen mit sich brachte, sondern auch niemals frei von Tragödien war, wurde ihnen noch am selben Tag nachdrücklich vor Augen geführt: Kurz nach Ende der gut anderthalbstündigen Mittagspause führte ihr Trail sie an dem ersten Grab ihrer Reise vorbei.
Ein kleiner Hügel aus zusammengetragenen Feldsteinen und ein schlichtes Holzkreuz markierten die Stelle. Als der Wagenzug langsam vorüberrollte, konnten alle, die nicht mit dem Führen der Ochsen beschäftigt waren, einen Blick auf das Grab werfen. Und so manche Mutter, die an den Hügel trat und las, was in das Holzkreuz
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