Verheißung des Glücks
küsste, so ließ er sie doch nicht los. Er hielt sie fest, und in seiner Umarmung lag auch ein Hauch von Besitzerstolz. Melissa fühlte sich beschützt und geborgen. Langsam gewann sie wieder Zuversicht. Zugleich fiel es ihr schwer, das Verlangen nach Lincoln im Zaum zu halten. Doch sie tröstete sich damit, dass es nur noch wenige Tage dauern würde, bis sie alle Zurückhaltung aufgeben konnten.
Ein Blick gen Himmel sagte ihr, dass sie noch immer nach Süden fuhren. »Fahren wir denn nicht nach Schottland?«, fragte sie.
Lincolns Lächeln verwandelte sich in ein Grinsen. »Nimm es mir nicht übel, Melissa, aber du hast sechzehn Bluthunde in deiner Verwandtschaft, die sich sicher aufteilen und jede Straße, jeden Weg und jeden Trampelpfad, der nach Norden führt, bewachen werden. Und wenn sie uns unterwegs nicht aufhalten können, sind sie in Schottland und verbarrikadieren dort sämtliche Türen der Kirchen und Kapellen im Grenzland, bevor wir überhaupt schottischen Boden erreichen.«
»Aber wohin fahren wir denn dann?«
»Auf mein Anwesen. Dort werden sie uns nicht vermuten. Wenn es ihnen dann doch irgendwann einfallen sollte, uns dort zu suchen, ist es zu spät. Wir heiraten morgen Früh.«
Melissa strahlte, denn auf diese Weise gelangte sie viel schneller ans Ziel ihrer Wünsche, als wenn sie erst nach Schottland gefahren wären. Sie hatte nicht geglaubt, dass sie schon so bald Lincolns Frau werden könnte. »Dann hast du uns wohl in weiser Voraussicht schon eine Heiratslizenz besorgt?«
»Nein, aber ich habe einen ganz besonderen Vikar an der Hand«, antwortete Lincoln.
»Wie bitte?«
Er lachte über ihre Verwirrung. »Er ist in Schottland geboren und aufgewachsen. Ich ließ ihm vor etlichen Jahren auf meinem Land eine Kirche bauen. Seither lebt er dort glücklich und zufrieden mit seiner englischen Frau. Außerdem hat er ziemlich eigene Auffassungen, was die Trennung von Kirche und Staat betrifft. Er ist der festen Ansicht, das Königshaus habe sich in Kirchendinge nicht einzumischen. Und als echter Schotte hält er schon gar nichts vom Aufgebot, von Heiratslizenzen und sonstigen Formalitäten. Er meint, die Leute sollten heiraten und es anschließend in die Welt hinausposaunen, nicht umgekehrt.«
»Ist das denn legal? Ich meine, hier bei uns in England?«
»Wenn es sein muss, schwört der Vikar, dass wir vor drei Wochen das Aufgebot bestellt haben.«
»Er würde tatsächlich lügen?«
Lincoln hüstelte. »Er würde sagen: >Die Wege des Herrn sind unergründlich.««
Melissa lachte befreit auf. Sie war beruhigt. Dieses Gefühl hielt eine knappe halbe Stunde lang an. Dann wurde ihr klar, was das eben Gehörte bedeutete. Sie würde Lincoln heiraten. Und zwar schon am nächsten Tag.
Als sie am frühen Abend Lincolns Anwesen erreichten, war es noch hell. Melissa bewunderte das große Herrenhaus. Es hatte zwar nicht die Ausmaße von Kregora Castle, doch es war mindestens so groß wie das Stadthaus des Dukes und der Duchess in London. Dahinter erstreckte sich ein parkartiger Garten. Dort gab es einen kleinen Teich, auf dem man im Winter Schlittschuh laufen konnte, und einen größeren aufgestauten See. Lincoln angelte genauso gerne wie der frühere Lord Cambuiy.
Die Stallungen waren ebenfalls beeindruckend. Melissa dachte schon daran, sich ihr Pferd herbringen zu lassen. Aber das setzte voraus, dass sie eine Zeit lang hier blieben. Schließlich besaß Lincoln ja auch in Schottland ein Anwesen, auf dem sie sicher den größten Teil des Jahres zubringen würden.
Nach einem kurzen Rundgang durch das Haus führte Lincoln sie in ihr Zimmer, wo sie sich vor dem Abendessen noch ein wenig ausruhen konnte. Er wollte unterdessen alle notwendigen Vorbereitungen für die Trauungszeremonie veranlassen. Doch Melissa hatte keinerlei Bedürfnis, sich auszuruhen. Sie war viel zu au f geregt. In wenigen Stunden würde sie Lincolns Frau werden und dann gehörte er endlich ganz zu ihr. Als seine Frau konnte sie ihn küssen, wann immer sie wollte, ihn berühren, wann immer sie wollte, in leidenschaftlichen Umarmungen ganz mit ihm verschmelzen ... nun, wann immer er wollte. Nein, sogar darüber konnte sie selbst entscheiden. Es war ihr nicht entgangen, dass ihre Mutter ihren Vater gelegentlich an der Hand nahm und die Stufen zum oberen Stockwerk hinaufzog.
Bald, sehr bald würde sie wissen, wie es war, einem Mann ganz zu gehören. Noch eine ganze Nacht lang darauf warten zu müssen, stellte Melissas Willenskraft auf
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