Verhext: Roman (German Edition)

könntest. Auch du kannst noch einiges lernen.« Sie streckte die Hand aus und kitzelte ihn an den Rippen. »Vor allem, was deine Hexenmanieren angeht.«
    »Ich kann ihn morgen Nachmittag zu euch bringen«, sagte Nell. »Am Vormittag hat er einen Termin bei Dr. Celia, damit sein Hörgerät angepasst wird. Selbst seine Ohren wachsen jetzt schnell.«
    Lauren war schockiert; sie hatte bisher nicht bemerkt, dass Aervyn ein Hörgerät trug. Als sie genauer hinsah, erschien es für einen Moment und verschwand dann wieder. Toller Trick.
    Aervyn sah sie aufmerksam an. Auch mächtige kleine Hexenkinder waren manchmal unsicher, dachte sie. Sie wackelte mit den Augenbrauen. »Kannst du mir beibringen, wie so was geht? Ich möchte einen Meter achtzig groß sein und Ohren wie Cat Woman haben.«
    Er grinste sie an. »Das musst du nicht. Onkel Jamie sagt, du bist auch so schon anstrengend genug.«
    Vermutlich war der Tritt, der Lauren am Schienbein traf, für Aervyn bestimmt gewesen. Sie lehnte sich vor und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er nickte, flüsterte etwas zurück und nahm ihre Hand unter dem Tisch. Ihr blieb
kaum genug Zeit, das Rauschen in ihrem Kopf zu registrieren, da saß auch schon Cat Woman auf Jamies Platz. Die Illusion dauerte nur ein paar Sekunden, dann fiel Aervyn lachend von der Bank, zusammen mit einer seiner Schwestern. Auch alle anderen sahen aus, als säßen sie nicht mehr ganz sicher auf ihren Plätzen.
    Die einzige Person, die sich nicht von der allgemeinen Heiterkeit anstecken ließ, war Jennie. Sie sah Lauren interessiert an und schien mehr als nur ein wenig überrascht.
    Plötzlich ging Lauren auf, dass es vermutlich gegen sämtliche Benimm- und Hexenregeln verstieß, einen vierjährigen Hexer zu einem Streich anzustiften.
    »Entspann dich, Mädchen  – das war sehr lustig.« Jennie lächelte. »Vielleicht lernt Jamie irgendwann einmal, seine Gedanken besser für sich zu behalten.«
    Eher gespielt als tatsächlich empört rief Jamie: »Warum bin ich denn jetzt der Böse?«
    Nell lachte. »Du wurdest von einem Vierjährigen und einem Grünschnabel reingelegt. Du wirst alt, Brüderchen.«
    Tante Jennie hob die Hand. »Bin ich die Einzige, der bei dieser kleinen Vorstellung noch etwas anderes als Jamies gute Figur aufgefallen ist?«
    Lauren dachte, dass sie selbst vermutlich genauso irritiert aussah wie alle anderen am Tisch.
    Jennie wandte sich an Aervyn. »Schatz, hast du Onkel Jamie ganz allein mit dem Illusionszauber belegt?«
    Aervyn war kein Dummkopf und gab sofort seine Mitverschwörerin preis. »Nö. Lauren hat geholfen.«
    Lauren war immer noch verwirrt, aber alle anderen
Hexen im Raum schienen irgendein großes Rätsel gelöst zu haben. »Was habe ich gemacht?«
    »Du hast Cat Woman gemacht. Ich hab nur ein bisschen nachgeholfen.« Na toll, der kleine Kerl warf sie den Wölfen zum Fraß vor. Sie gab ihm einen Tritt unterm Tisch. Er kicherte nur.
    Jennie nickte. »Ich glaube, sie ist ein Channeler.« Sie drehte sich zu Lauren um. »Hat Jamie dir die unterschiedlichen Arten von magischer Begabung erklärt?«
    »Ich bin doch kein Anfänger, Tante Jennie«, sagte Jamie und verdrehte die Augen.
    Sie war vielleicht ein Grünschnabel, dachte Lauren, aber sie konnte sich noch sehr gut daran erinnern, was vor ein paar Tagen gesagt worden war. »Das hat er. Fünf Typen der Macht, zwei Arten, um sie zu nutzen. Channeler und Zauberer, richtig? Was hat das mit Cat Woman zu tun?«
    »Na schön, pass auf, denn das könnte noch wichtig werden. Aervyn ist ein ziemlich guter Zauberer für einen Vierjährigen. Oder besser gesagt, ein sehr starker Zauberer, der noch ein wenig durch die Logik eines Vierjährigen behindert wird. Zauber haben eine komplexe Logik, und man kann einen Zauber erst bewirken, wenn man ihn korrekt strukturieren kann.«
    Jamie übernahm die weitere Erklärung. »Um einen komplexen Zauber durchzuführen, braucht der Zauberer eine Machtquelle. Normalerweise nutzt er dafür die Elementarkräfte oder arbeitet mit einem Kreis. Aervyn ist ein Elementarhexer, deswegen habe ich zuerst angenommen, dass er diese Energien benutzt hat, um Cat Woman entstehen zu lassen.«
    »Nö, ich habe Lauren benutzt«, sagte Aervyn fröhlich.
    »Das verstehe ich nicht«, sagte Lauren. »Jamie, sagtest du nicht, ich hätte keine Elementarkräfte?«
    »Ja, die sind mausetot«, bestätigte Jamie. »Aber du verfügst über Mentalkräfte. Gewöhnlich sind die nicht stark genug, um einen Zauber länger zu halten, und sie