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Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)

Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)

Titel: Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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nach innen hin alles absperren, damit der Täter nicht fliehen kann. Und dann brauchen wir noch eine Sperre nach außen, um Unbefugte daran zu hindern, den Bereich zu betreten. Wenn ich es richtig sehe, gibt es nur einen Weg, der hierherführt, und der beginnt hinter der Kurve. Das ist ein Vorteil für uns«, sagt Bjarne und zeigt dann auf ein graues Haus mit hohen Mauern. »Da drüben gibt es aber noch einen Fußweg. Einer von Ihnen«, er zeigt auf den Mann zu seiner Linken, »geht jetzt dorthin und hindert die Leute daran, diesen Weg zu nehmen. Und damit meine ich alle .«
    Der Beamte nickt.
    »Als wir gekommen sind, ist mir auch noch drüben bei den Postkästen ein Fußweg aufgefallen. Dort stellen Sie sich hin«, sagt Bjarne und zeigt auf den anderen Polizisten. »Von dort aus müsste man eigentlich auch ins Haus schauen können, aber positionieren Sie sich möglichst diskret. Wir dürfen nichts tun, was den Täter noch weiter provoziert. Ziehen Sie Ihre Jacke aus, damit er nicht gleich sieht, dass Sie Polizist sind. Versuchen Sie trotzdem, sich einen Einblick zu verschaffen, wie viele Personen sich im Haus befinden. Wir müssen auch eine Evakuierung der Nachbarn in Erwägung ziehen. Auf jeden Fall darf hier draußen niemand herumlaufen.«
    Die Beamten nicken.
    »Ich bleibe hier auf der Vorderseite des Hauses. Wir tun unser Bestes und warten auf die Verstärkung.«
    Die Beamten nicken wieder. Bjarne gibt das Zeichen zum Aufbruch. Die beiden Polizisten begeben sich zu ihren Posten, während Bjarne sich das Haus erneut genauer ansieht. Wieder bewegt sich eine Gardine, und für einen kurzen Augenblick ist ein Schatten zu sehen, der aber gleich darauf wieder verschwindet.
    Bjarne war bisher bei zwei Geiselnahmen dabei. Die erste in einem Asylantenheim. Ein Angestellter im Heim verständigte selbst die Polizei, dass er gegen seinen Willen von einem Bewohner festgehalten und mit einem Messer und einer Kanne Benzin bedroht würde. Polizei und Krankenwagen rückten sofort an, weil man befürchtete, dass der Bewohner das ganze Heim in Brand stecken könnte. Aber innerhalb einer halben Stunde war alles vorbei, der Bewohner konnte ohne weitere Vorkommnisse festgenommen werden.
    Im zweiten Fall ging es um eine Frau aus Lørenskog. Die Meldung, die bei ihnen einging, entsprach in etwa der aktuellen Situation: Der Geiselnehmer war bewaffnet und würde nicht zögern, von der Waffe Gebrauch zu machen. Er kam sogar auf die Terrasse und feuerte einen Schuss in die Luft ab, um seine Behauptung zu untermauern. Die Polizei rückte mit voller Mannschaft an, positionierte sich rund um das Haus und stellte über einen psychologisch geschulten Vermittler Kontakt her. Auch in diesem Fall dauerte es nicht lange, bis die Geisel freigelassen und der Mann im Haus festgenommen wurde.
    Bjarne war hinterher fast ein bisschen enttäuscht, weil alles so reibungslos abgelaufen war. Ohne Adrenalinkick oder Funkmeldungen über einen Arm, eine Schulter oder einen Kopf im Fadenkreuz. Entgegen seiner damaligen Enttäuschung hofft er heute von ganzem Herzen auf einen ähnlich undramatischen Ausgang, bei dem niemand zu Schaden kommt.
    Er zuckt zusammen, als sein Telefon klingelt. Er traut seinen Augen kaum – der Anruf kommt von Emilie Blomviks Telefon. Bjarne steht ein paar unendliche Sekunden reglos da, dann drückt er zögernd die grüne Taste.
    »Hallo?«
    »Haben Sie nicht gehört, was ich gesagt habe?«, sagt die dunkle, schleppende Stimme.
    »Doch, Remi. Ich habe alles gehört, was Sie gesagt haben.«
    »Warum seid ihr dann noch immer hier? Ich hab doch gesagt, dass ich eine Waffe habe. Soll ich’s Ihnen erst noch beweisen?«
    Bjarne schließt die Augen und denkt scharf nach. »Nein, Remi, das ist nicht nötig.«
    »Dann schlage ich vor, dass ihr euch augenblicklich verzieht.«
    Bjarne reibt sich die Stirn, seine Finger werden schwitzig. Jetzt ist guter Rat teuer. Das Training in der Polizeischule zeigt keine Wirkung: Er kann nicht die innere Ruhe aufbringen und den sanften Ton anschlagen, der dem Gesprächspartner signalisiert, dass er derjenige ist, der die Situation lenkt.
    »Ich will Ihnen helfen«, sagt er schwach – und hört ein Schnaufen am anderen Ende.
    »Du hältst die Klappe und hörst mir jetzt gut zu. Ich weiß genau, dass gleich die ganze Truppe auffährt, stimmt’s? Mit Vermittlern und Scharfschützen. Und dann sind alle auf meiner Seite, nicht wahr, alle sind ja so scheiß verständnisvoll . Vergesst es! Ich will mit keinem

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