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Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)

Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)

Titel: Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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tief über Jessheim und lassen keinen Sonnenstrahl hindurch. Emilie Blomvik scheint das nicht zu stören, als sie Sebastian gerade noch rechtzeitig im Kindergarten abliefert, damit er an dem Ausflug zum Raknehaugen teilnehmen kann. In seinem Lightning-McQueen-Rucksack liegen zwei geschmierte Brote, eine blaue Trinkflasche mit Leitungswasser und ein grüner Apfel. Sie verabschiedet sich von ihm und wünscht ihm viel Spaß, denn den will auch sie selbst haben.
    Der Tag hat recht gemütlich begonnen. Am Abend zuvor ist sie spät von der Arbeit gekommen und hat Mattis auf dem Sofa schlafend vorgefunden, auf dem Couchtisch eine Flasche Rotwein, die er allem Anschein nach allein geleert hat. Neben der Flasche ein Zettel mit den Worten: »Du kannst mich gerne wecken, wenn du nach Hause kommst …«
    Aber sie konnte nicht, hatte nach dem langen Tag am Flughafen nicht die Kraft. Die Transportbänder hatten wieder gemuckt und die Passagiere länger fürs Einchecken gebraucht als sonst. Im Gleichklang mit der immer schlechteren Laune der Fluggäste war auch Emilies Stimmung immer finsterer geworden. Als sie schließlich erst nach Mitternacht daheim war, wollte sie nur noch ins Bett, und kaum dass sie sich hingelegt hat, ist sie auch schon eingeschlafen.
    Mattis’ Handy hat wie immer an einem Werktag um 05.45 Uhr einen infernalischen Lärm von sich gegeben. Sie hat gehört, wie er unter die Dusche ging. Doch als er ins Schlafzimmer kam und an den Kleiderschrank trat, gab sie vor zu schlafen. Ihr ist nicht ganz klar, warum sie das getan hat. Er ist noch einmal zu ihr ans Bett gekommen, bevor er aufgebrochen ist, aber da hat sie sich wie ein Ball unter der Decke zusammengerollt.
    Sebastian ist wie üblich gegen sieben Uhr aufgewacht, und Emilie hat ihn vor dem Fernseher geparkt, ist zurück ins Bett geschlüpft und hat all die inneren Stimmen ignoriert, die ihr zuriefen: »Du bist eine schlechte Mutter, eine schlechte Mutter!« Sie hat den Wecker auf acht Uhr vorgestellt – viel zu spät, wie sie feststellen musste. Die Panik, die sie in der Frühe angetrieben hat, weicht erst der Zuversicht, als sie sich daran erinnert, dass sie am Mittag in Oslo mit Johanne verabredet ist.
    Sie denkt an das Lachen ihrer Freundin, als sie den Kindergarten verlässt und in den Tag tritt, der nun vor ihr liegt. Sie freut sich unbändig darauf, Johanne wiederzusehen und zu hören, wie sie ihren Sommer verbracht hat. Vielleicht kann sie eine neue Männergeschichte zum Besten geben.
    Emilie ist schon fast auf der Autobahn, als ihre Gedanken zurück zu Mattis wandern. Wenn irgendjemand ihre widersprüchlichen Gefühle für den Mann verstehen kann, den sie zu lieben glaubt, dann Johanne. Johanne hat immer einen guten Ratschlag parat.
    Er blinzelt und öffnet die Augen.
    Ein neuer Tag. Womit ihm nur noch zwei Tage bleiben.
    Sein Kopf dröhnt. Die Pillen, die er am Abend zuvor genommen hat, haben ihn betäubt wie immer. Erst der Gedanke daran, was er an diesem Tag zu tun gedenkt, lässt ihn aus dem Bett schnellen. Er fährt seinen Rechner hoch. Hat sie auch heute wieder der ganzen Welt mitgeteilt, wo sie ist und was sie vorhat?
    Natürlich.
    Er geht ins Bad und wäscht sich das Gesicht. Dann zieht er sich an und macht sich bereit. Steckt ein paar Tabletten ein; andere Tabletten. Solche, die ihn stark machen. Dann geht er nach draußen. Hinaus in einen Tag, von denen es immer weniger gibt.
    Aber das spielt keine Rolle. Er denkt nur daran, wie es sich anfühlen wird. Und ob er dieses Mal da sein wird, mit ganzer Seele. Wenn das Licht erlischt.
    39
    Henning fragt beim Autoverleih explizit nach einem gelben Wagen, muss sich aber mit einem kleinen weißen Gefährt zufriedengeben, das gerade einmal dreitausend Kilometer auf dem Buckel hat. Vierzig Kilometer später hält er vor der Grundschule Jessheim – einem von Erna Pedersens früheren Arbeitgebern.
    Es ist gut sechzehn Jahre her, dass sie dort aufgehört hat, und Henning weiß, dass er an einem einzigen Vormittag nicht viel herausfinden kann. Trotzdem parkt er und betritt den Schulhof, der sich seit seinem letzten Besuch in Jessheim gewaltig verändert hat. Als Fünftklässler war er hier einmal bei einem Fußballspiel, Jessheim gegen Kløfta, zweimal zwanzig Minuten. Seine Klasse gewann 5 zu 2. Henning schoss drei der Tore. Er erinnert sich noch daran, wie er nach dem Spiel auf den Schultern des Lehrers thronte.
    Von den diffamierenden Graffiti, von denen Tom Sverre Pedersen gesprochen hat, ist heute

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