Verliebt in einen Fremden
Verwünschungen verfluchend, spritzte sie sich kaltes Wasser ins Gesicht. Wollte er sie in den nächsten Monaten, die sie hier verbrachte, etwa unablässig quälen? Gab er denn nie Ruhe mit seinen bohrenden Andeutungen über das, was fast zwei Jahre zuvor zwischen ihnen vorgefallen war? Sie konnte es unmöglich hinnehmen, dass er sie ständig an einen peinlichen Fehltritt und an eine Episode in ihrem Leben erinnerte, die sie am liebsten verdrängte. Sie hätte diesen Zack Prescott ermorden können!
SchlieÃlich fasste Camille einen Entschluss. Ihre Mutter hatte ihr als Heranwachsende den Tipp gegeben, die aufdringlichen Jungen zu ignorieren, die ihr in der Schule nachstellten. Und diesen Rat wollte sie auch bei Zack beherzigen: Sie nahm sich fest vor, künftig über seine schlüpfrigen Kommentare und BloÃstellungsversuche hinwegzugehen. Wenn er erst einmal merkte, dass sie darauf nicht ansprang, würde er bestimmt den Spaà daran verlieren und mit dem Blödsinn aufhören.
Halbwegs wiederhergestellt, ging sie zurück ins Haupthaus. Rayburn saà allein im Salon. Er informierte sie ungefragt darüber, dass Zack ausgegangen sei. Sie hauchte ein Dankgebet zum Himmel, insgeheim jedoch leicht enttäuscht, dass er von ihrem frisch aufpolierten, selbstbewussten Image nichts mitbekam.
Rayburn begann den Rundgang in den zwei Salons. Wuchtige Holzschiebetüren trennten die beiden Räume. Einer wurde als Wohnzimmer genutzt, in dem anderen stand
ein riesiger Flügel. Mr. Prescott erklärte ihr, dass Alice sehr gut gespielt habe, und war hoch erfreut, dass Camille ebenfalls Klavier spielte. Das Musikzimmer solle so erhalten bleiben, fand er.
Während sie durch das Haus schlenderten, machte Camille sich Notizen. Sie erfasste die Möbelstücke, die restauriert oder aufgepolstert oder komplett entfernt werden sollten. Sie notierte die Anzahl der Fenster pro Raum, machte Vorschläge, wie sich das Mobiliar geschickter platzieren lieÃe und welche Farben sich harmonisch einpassten. Zwecks weiterer Anregungen wollte sie später ihre Musterbücher hinzuziehen. Die schweren Kataloge waren bereits in der Halle deponiert. So höflich war Zack immerhin doch gewesen, dachte sie.
Sie durchquerten die riesige Halle, von der aus Rayburn sie in das Speisezimmer führte, das Camille schon während des Abendessens fachmännisch inspiziert hatte. Er zeigte ihr einen kleineren Frühstücksraum und schlieÃlich die Küche, die, wie sie positiv überrascht feststellte, bereits mit supermoderner Technik ausgestattet war. Die Veränderungen hier wären rein kosmetischer Natur und nicht grundlegend. Dearly war noch beim Abwasch und freute sich, als Camille sie um ihr persönliches Geschmacksempfinden bei verschiedenen Farbmustern bat. Sie diskutierten mehrere Farbgebungen, und Camille merkte es der begeisterten Haushälterin an, dass sie ihr auf Anhieb sympathisch war.
Rayburn und Camille gingen die breite Treppe hinauf, die sich an einer Seite der riesigen Eingangshalle zum ersten Stock hochschwang. Das Eichenschnitzwerk war bezaubernd, bedurfte aber dringend einer fachmännischen Aufarbeitung. Und das erforderte Fingerspitzengefühl, sinnierte Camille.
Oben angekommen, geleitete Rayburn sie entlang der ausgedehnten Galerie, die ebenfalls in neuem Glanz erstrahlen sollte. Von dort zweigten die Räume ab. Es gebe vier Schlafzimmer, zwei davon seien durch ein Bad miteinander verbunden, führte Rayburn aus. Das seien die so genannten Herrschaftsräume, die Zack bewohne.
»Zack kann sich zu gegebener Zeit selbst Gedanken machen, was ihm ausstattungsmäÃig vorschwebt«, sagte er abwesend, worauf Camille erleichtert aufseufzte.
Rayburn war nach dem Tod seiner Frau aus der Riesensuite in einen der groÃzügigen Schlafräume gegenüber der Galerie umgezogen. Bett, Schrank und Anrichte waren aus massivem Rosenholz gefertigt. Camille klatschte spontan in die Hände, als sie die bezaubernden Antiquitäten sah. Ãber ihre Begeisterung grinste Rayburn wie ein Schuljunge.
»Ich hatte so gehofft, ich könnte den anderen Schlafraum in ein Kinderzimmer umfunktionieren lassen«, räumte er seufzend ein. »Aber zunächst einmal lassen wir ihn so, wie er ist. Gegen neue Tapeten hätte ich allerdings nichts einzuwenden. Wenn Ihnen sonst noch etwas einfällt, auf dem Speicher haben wir Teppiche, Möbel und eine Menge
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