Verliebt und zugenäht!: Roman (German Edition)
Einzige, was in einer solchen Situation immer zuverlässig verfügbar war.
Emma lief ins Schlafzimmer zum Fernseher und legte eine DVD ein. Wie in Trance spulte sie mechanisch an die richtige Stelle und schaltete ein.
»Ich bin da so reingerutscht. Und aus war’s mit meinen Kindheitsträumen«, meinte Vivian gerade, und Emma bekam sofort feuchte Augen.
»Es gibt so viele andere Möglichkeiten«, sagte Edward tröstend zu den beiden Frauen vor und auf dem Bildschirm.
Doch Vivians desillusionierte Antwort: »Wenn man so weit abgerutscht ist, gibt es nicht mehr viele Möglichkeiten«, öffnete zumindest Emmas Tränenstrom Tür und Tor. Noch vor weniger als zwei Stunden hatte sie mit Daniel im Restaurant lustig aus diesem Film zitiert, und jetzt, kurze Zeit später, war schon alles verspielt.
»Hast du ihn etwa auf den Mund geküsst?« Kit auf dem Bildschirm sah Vivian verständnislos an. »Du verliebst dich und küsst den Typen auf den Mund? Hast du denn gar nichts gelernt?«
Emma auf ihrem Bett sackte schuldbewusst in sich zusammen. War das vielleicht der Fehler gewesen? Nein, sie war natürlich keine Prostituierte mit hehren Prinzipien. Aber möglicherweise hatte der Zeitpunkt für den Kuss wirklich nicht gestimmt?
»Vielleicht kauft ihr euch zusammen ein Haus, und dann schenkt er dir Diamanten und danach ein Pferd und … So kann’s laufen, so was passiert«, versuchte nun Kit ihre Freundin aufzumuntern und schaffte es fast, auch Emmas Traurigkeit zu lindern.
Doch Vivian wollte sich damit nicht zufriedengeben. »Ich will wissen, wann so was wirklich passiert! Nenn mir nur ein einziges Beispiel von irgendjemandem, den wir kennen!«
Und natürlich kannte Emma Kits ernüchternde Antwort bereits: »Da fällt mir nur Schneewittchen ein.«
Daraufhin lachten die beiden Frauen im Film, und Emma brach erneut in heftiges Schluchzen aus. Märchen konnten sie heute nicht mehr aus ihrer Enttäuschung holen. Nicht einmal Fannys Version eines voll und ganz selbstbestimmten Dornröschens hätte sie in dieser Situation aufgemuntert.
Da half es auch nichts, dass Jo Fürstberg wenig später an ihr Bett trat und ihr ein Haus, ein Pferd und Diamanten versprach. Als Bedingung nannte er zwar lediglich, dass sie sich selbst ein Schneewittchen-Kostüm schneidern und es auf ihrer Hochzeit tragen sollte, doch damit konnte er Emma nicht einwickeln. Schließlich war es sonnenklar, dass es sich hier eindeutig um einen dieser blöden Träume handelte, die einen im Schlaf hinterhältig überrumpelten und dann bei Tag im Regen stehen ließen. Und genau so war es auch.
Am nächsten Morgen waren die Raupen über den Augen wieder da und Emma entsprechend schlecht gelaunt. Auf dem Weg zur Arbeit konnten weder der strahlend blaue Himmel noch zwitschernde Vögel oder blühende Baumkronen ihre gedrückte Stimmung auch nur ein kleines Stückchen über den Nullpunkt heben. Selbst den Kolleginnen im Atelier gelang es trotz allergrößtem Bemühen nicht, ihr zumindest ein zaghaftes Lächeln auf das traurige Gesicht zu zaubern.
»Willst du uns nicht wenigstens sagen, was passiert ist?«, versuchte es Mona beinahe stündlich, doch kein Wort der Erklärung kam über Emmas Lippen.
Zum Glück befand sich die Stichsäge noch bis zum Ende der Woche auf der Stoffmesse in Köln, sodass wenigstens von ihr keinerlei Forderungen drohten. Die fragenden Gesichter von Jasmin und Mona waren allgegenwärtig genug. Doch Emma blieb standhaft und ließ kein Wort über ihre Schauspielkarriere und den wohl verlorenen Traummann verlauten. Nach dem Casting am morgigen Tag war es dann auch mit der Karriere für immer vorbei, also wozu jetzt noch die Pferde scheu machen?
Und überhaupt: Musste sie das Vorsprechen eigentlich noch über sich ergehen lassen, wo sie sich doch vor Jo bis auf die Knochen blamiert hatte und er sicher nichts mehr von ihr wissen wollte? Schließlich hatte er ganz deutlich gezeigt, dass er sich mit ihr mehr vorstellen konnte als nur keusche Küsserei. Und ihre Abfuhr hatte bestimmt wie absolutes Desinteresse gewirkt. O nein!
»Ich bin dann weg und geh noch die Garne kaufen«, rief Mona gegen drei Uhr nachmittags. Emma war erleichtert, bei ihrer momentanen Laune war es ihr nur recht, heute etwas früher Feierabend zu machen. So viele Aufträge hatte die Schneiderei zurzeit ohnehin nicht.
Und auch Jasmin witterte die Chance auf einen kurzen Arbeitstag und bat Emma eine halbe Stunde später: »Kann ich vielleicht ausnahmsweise auch schon gehen?
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