Verlockend wie ein Dämon
zwischen Interesse und Überraschung. Mit weit aufgerissenen Augen, leicht geöffnetem Mund und der Andeutung einer gerunzelten Stirn. Wenn sie den Aufenthaltsort gekannt hatte, bevor er ihn erwähnte, verbarg sie diese Tatsache sehr gut.
»Waren«, korrigierte er sie sanft. »Sie sind verschwunden.«
»Wie schade. Vollständig wären die Münzen um vieles mehr wert als nur eine Million Dollar.«
»Meinem Kumpel bei Sotheby’s zufolge ungefähr fünf«, stimmte er ihr zu. Es war offensichtlich, wie sie so lange als Seelenwächterin hatte überleben können. Sie war aalglatt. »Weshalb ich zuversichtlich bin, dass du von ihrem Verbleib in New York wusstest.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich wurde nur angeheuert, um Duvergers dreizehn Münzen zu klauen. Es gibt keinerlei Unterlagen über die anderen.«
Außer im Protektorat. Was nahelegte, dass sie einen Insidertipp bekommen hatte. Von O’Shaunessy? Aber was würde das über ihre Beteiligung an seiner Ermordung aussagen?
»Ich war an dem Tag, an dem die Münzen gestohlen wurden, in New York«, eröffnete er ihr. Er musste die Wahrheit wissen. Selbst wenn sie nicht schön war. »Shopping bei Saks.«
Sie wurde vollkommen ruhig. »Wirklich?«
»Auf meiner Liste der miesesten Tage, die ich jemals erlebt habe, steht dieser ganz oben. Ein Kriegsdämon hat den ganzen Laden auseinandergenommen und zusätzlich die Kirche auf der anderen Straßenseite, und ich musste die Seelen von viel zu vielen Augenzeugen holen.«
Lenas rechte Hand ballte sich, dann öffnete sie sich wieder. »Kriegsdämonen sind sehr groß und mächtig. Schon viele Wächter sind ihnen zum Opfer gefallen.«
»Dieser Bastard hätte mich auch tatsächlich beinahe umgebracht«, gestand er. »Wenn ich nicht dasselbe Training durchexerziert hätte, das auch dir bevorsteht, wäre er bestimmt erfolgreich gewesen. Nach dem Kampf habe ich eine der Judas-Münzen aufgelesen. So bin ich in all das hineingeschlittert.«
Sie schloss die Augen.
Er studierte die scharfen Züge ihres schönen Gesichts und fragte sich, welche Rolle sie bei dem Diebstahl gespielt hatte. Denn sosehr er auch etwas anderes glauben wollte, sagte ihm sein Bauch doch, dass sie irgendwie in die Sache verwickelt war.
»Und warum warst du in New York, Lena?«
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7
E mily starrte wütend auf die Fliegengittertür des Hauses.
»Er behandelt mich wie ein Baby«, sagte sie. Warum hatte er ihr keine Aufgabe übertragen? Sie war genauso fähig, einen Auftrag zu erfüllen, wie Carlos oder Bale. Vielleicht sogar fähiger.
»Nicht wie ein Baby«, wiegelte Carlos ab. »Wie eine Schülerin. Die du nun mal bist.«
»Ach ja?« Sie zog an Carlos’ Hand. »Okay, diese Schülerin braucht eine Pizza. Und wenn wir jetzt nicht fahren, wird mich Murdoch finden und zum Übungsplatz zerren.«
Er blieb, wo er war, und sah sie weiter mit seinem festen, dunklen Blick an. »Das wäre auch richtig. Du brauchst keine Pizza. Du brauchst mehr Übung.«
»Ich hab die Nase voll vom Training. Seit sieben Monaten tue ich nichts anderes. Trainieren, lernen. Lernen, trainieren. Alles, was ich will, ist ein verdammtes Stück Pizza. Das ist doch nicht zu viel verlangt, oder?«
Seine Finger verschränkten sich mit ihren, und er zog sie sanft an seine Brust.
»Em, du musst auf das, was kommt, vorbereitet sein.« Er küsste sie auf die Nasenspitze. »Du bist die Dreifaltige Seele. Die Menschen zählen auf dich. Ich weiß, dass du viel mehr kannst, als du beim Üben zeigst. Ich fühle es. Du musst nur lernen, dich zu konzentrieren, den Strom der Urenergie anzuzapfen.«
Sie schnitt eine Grimasse. »Bei dir klingt es, als wäre ich ein Power Ranger oder Transformer oder so etwas. Das bin ich aber nicht. Ich bin einfach ich. Okay, vielleicht unsterblich, aber trotzdem noch immer die normale alte Em.«
Die flüchtige Ahnung eines Lächelns hellte sein Gesicht auf und ließ die kleine Narbe auf seiner Lippe weiß schimmern. »Wenn du ein normales Mädchen bist, dann, nehme ich an, bin ich ein normaler Kerl.«
Sie grinste. Doch das Grinsen verschwand rasch, als sie Murdoch entdeckte, der den gepolsterten Trainingsanzug Richtung Übungsplatz schleppte. Niemand sonst musste diesen lächerlichen Anzug tragen, nur sie. Ein unsterbliches, gepolstertes Mädchen. Wie dämlich war das denn? »Normale Mädchen und Jungen sollten normale Dinge tun. Was kann es schon schaden, wenn wir einen Abend aus sind? Bitte!«
»In den Unterkünften gibt es jede Menge tief gefrorene Pizzas.
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