Verlockende Versuchung
als Devon die Überdecke zurückschlug und über den Läufer schritt. Die Hündin blieb allerdings, wo sie war.
Nicht so der General, der seinem Namen alle Ehre machte und stets der Anführer war. Da er bemerkt hatte, dass Devon sich erhob, kletterte er über den Rand der Kiste und machte einen Satz nach vorn. Der Oberst watschelte nur eine Schwanzlänge von ihm entfernt hinterher, und auch der Major und der Kapitän guckten schläfrig und mit geneigtem Kopf über den Rand der Festung. Kichernd hob Devon das abenteuerlustige Pärchen auf und setzte es flink neben seine Brüder.
»Ihr beide bleibt hier«, mahnte sie und schloss vorsichtig die Tür hinter sich. Neugierig und verspielt, wie die Welpen waren, wagten sie sich jeden Tag ein Stück weiter von ihrer Mutter und der Schachtel fort.
Es war eine Grauen erregende Nacht. Draußen heulte der Wind, und Regen prasselte gegen die Fensterscheiben.
Die Tür zur Bibliothek stand offen. Als Devon einen Lichtschein bemerkte, zögerte sie einen Augenblick. War Sebastian früher aus der Oper zurückgekehrt? Sie wollte ihn nicht stören, falls er Arbeit zu erledigen hatte.
»Kommt herein, Devon. Seid nicht so schüchtern.«
Justin hatte es sich in dem Ohrensessel neben dem Sekretär gemütlich gemacht und hielt ein edel geschliffenes Kristallglas in einer Hand. Seinem Aussehen und dem stechenden Rauch in der Luft nach zu schließen, hatte er sich bereits mehrere Drinks genehmigt.
Amüsiert folgte Justin Devons Blick, der die Brandyflasche auf dem Beistelltisch aus Rosenholz abschätzig betrachtete. »Ein exzellenter Jahrgang. Nur das Beste ist für meinen Bruder gerade gut genug, müsst Ihr wissen.« Mit einem einzigen Schluck leerte er das Glas.
Wenn der Alkohol den Geist so belebte, wie Justin dies des Öfteren beschworen hatte, weshalb zog er dann eine solche Grimasse?, fragte sich Devon innerlich.
Justins Stimme war laut und eindringlich. »Wollt Ihr mir Gesellschaft leisten, Devon? Nein? Gut, bleibt oder geht, ganz wie Ihr wollt.« Dann griff er zur Flasche.
»Justin« ' sagte sie ruhig. »Ich denke, Ihr hattet bereits genug.«
»Nein. Ich hatte noch nicht einmal annähernd genug. «
Devon runzelte die Stirn. »Ihr seid heute unausstehlich.«
»Ich bin immer unausstehlich, wenn ich betrunken bin.«
»Warum trinkt Ihr dann?«, wollte sie wissen.
»Weshalb trinkt ein Mann? Um dem Leben zu entfliehen, das er führt. «
»Ich frage mich nur, warum Ihr Eurem Leben entfliehen wollt?« Devon war verblüfft. »Ihr habt alles, was man sich wünschen kann, seid reich ... «
Ein dunkles Lachen brach aus Justin heraus. »Devon, Ihr seid bemerkenswert naiv! Wisst Ihr nicht, dass die Privilegierten nicht immer vom' Leben bevorzugt werden? «
»Ich verstehe nicht ganz, was Ihr meint, Justin. Das passt gar nicht zu Euch ... «
»Oh ja, das tut es, Devon. Wirklich. Wollt Ihr mir wirklich weismachen, dass Ihr nicht das in mir seht, was ich bin? Ich bin kein Weltverbesserer wie Julianna , das arme Mädchen - und seht, wohin es sie gebracht hat! Sie ist fort und versteckt sich irgendwo in Europa! «
Beunruhigt starrte Devon ihn an. Sie wusste, dass Julianna den Kontinent bereiste, j edoch ... sich verstecken?
Nur wenige Tage zuvor hatte Sebastian einen Brief von seiner Schwester erhalten, in dem sie schrieb, dass sie ihren Aufenthalt noch ein wenig verlängern würde. Der Marquess war nicht gerade erfreut gewesen, und ein sorgenvoller Ausdruck war in seinen Augen zu lesen gewesen.
»Außerdem bin ich nicht wie Sebastian. War ich nie und werde es auch niemals sein!«
Überrascht von der Schärfe seiner Aussage trat Devon einen Schritt näher.
»Den hohen Erwartungen meines Bruders kann ich nicht gerecht werden, Devon. Mein Gott, wie könnte das überhaupt jemand? Weshalb sollte ich es also versuchen? Ich bin ein Nichtsnutz. Ein Schurke. Nichts, das ich mache, ist ihm recht, so wie ich schon zuvor meinen Vater nicht zufrieden stellen konnte. Sogar Sebastian konnte die Anforderungen unseres Vaters nicht erfüllen.«
Devon war zu bestürzt, um sich zu rühren.
»Ich erinnere mich daran, dass unser Vater seinem Erstgeborenen einbläute, immer seinen Pflichten nachzukommen. Dass Sebastian eines Tages der Marquess sein würde, weshalb er immer das tun solle, was richtig und anständig sei. Und wenn Sebastian etwas falsch machte, nahm Vater seinen Rohrstock und schlug ihn. Er müsse für sein zukünftiges Amt vorbereitet werden, sagte Vater. Einmal wollte ich ihn daran
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