Verloren: House of Night 10 (German Edition)
stellte das Weinglas ab, zog das Handy aus der Tasche und warf blinzelnd einen Blick darauf. »Das ist der Polizeichef.« Nachdem er sich kurz die Stirn massiert hatte, tippte er auf den Bildschirm. »Hallo Dean, schön, dich zu hören.« Er lauschte, nickte und sah Neferet an. »Sie entschuldigen mich sicher, aber das hier ist wichtig. Ich melde mich so schnell wie möglich wieder bei Ihnen, damit wir die Einzelheiten wegen des Komitees und der Kolumne besprechen können.«
Und hastig zog sich der Bürgermeister zum Aufzug zurück, und Neferet blieb allein mit den hungrigen Fühlern der Finsternis.
Sie erlaubte ihnen noch wenige Herzschläge lang, von ihr zu trinken, dann streifte sie sie ab und leckte sich die frischen Wunden in der Handfläche, bis sie sich schlossen.
Die Fühler wogten um sie wie ein Nest schwebender Schlangen, begierig, ihr zu Willen zu sein. »Jetzt schuldet ihr mir einen Gefallen«, sagte sie zu ihnen. Dann nahm sie das Zimmertelefon und wählte Dallas’ Nummer.
Wutschnaubend nahm er ab. »Da will jemand erschossen werden, was? Um die Uhrzeit!«
»Halt den Mund und hör zu, Junge.« Sie lächelte, als auf ihre Worte nur Totenstille folgte. Selbst durch das Telefon konnte sie seine Furcht fast riechen. Dann sprach sie schnell weiter, und mit den Instruktionen, die sie ihm gab, fühlte sie sich zunehmend sicherer und ruhiger. »In der Schule wird bald bekannt werden, dass ich das House of Night verlassen habe und dem Stadtrat von Tulsa beigetreten bin. Dir ist natürlich klar, dass ich diese Menschen nur benutzen will, um Zwietracht zu säen. Bis ich offen zu euch zurückkehre, werdet ihr meine Augen und Ohren im House of Night sein. Tut so, als wolltet ihr euch jetzt, da ich weg bin, in den Schulbetrieb einfügen. Gewinnt das Vertrauen der Lehrer. Freundet euch mit den blauen Jungvampyren an, und dann tut, was ihr Jugendlichen am besten könnt: Macht andere hinter ihrem Rücken schlecht, setzt Gerüchte in die Welt, fördert die Cliquenwirtschaft.«
»Aber Zoeys Streberclique wird uns nie vertrauen.«
»Habe ich dir nicht gesagt, halt den Mund und hör zu? Natürlich könnt ihr nicht Zoeys Vertrauen erwerben – dazu ist sie zu eng mit Stevie Rae befreundet. Aber ihr könnt ihren engsten Kreis sprengen; der ist nicht so unantastbar, wie man glauben sollte. Nimm zum Beispiel die Zwillinge, vor allem Erin. Wasser ist unbeständiger und launenhafter als Feuer.« Sie verstummte und wartete darauf, dass er ihr zustimmte. Als nichts kam, fauchte sie: »Jetzt darfst du reden!«
»Verstanden, Hohepriesterin. Ich kümmer mich drum.«
»Sehr gut. Ist Aurox ins House of Night zurückgekehrt?«
»Ich hab ihn nicht gesehen. Jedenfalls war er nicht dabei, als die Lehrer uns nach dem Brand in den Jungstrakt zurückgescheucht haben. Haben – haben Sie das Feuer gelegt?«, fragte er zaghaft.
»Ja, auch wenn es eher ein glücklicher Zufall als Absicht war. War es sehr verheerend?«
»Na ja, ein Teil der Stallungen ist hin, und sie sehen ziemlich wüst aus.«
»Wurde jemand getötet? Oder welche von den Pferden?«
»Nein. Der menschliche Cowboy wurde verletzt, das ist alles.«
»Schade. Nun mach dich an das, was ich befohlen habe. Wenn ich nach meiner Rückkehr wieder die Herrschaft über das House of Night übernehme und als Tsi Sgili, Göttin aller Vampyre, regiere, wirst du reich belohnt werden.« Und sie legte auf.
Während sie an ihrem Wein nippte und sich ausmalte, wie sie Charles LaFont langsam und qualvoll zu Tode folterte, erregte ein Geräusch aus ihrem Schlafzimmer ihre Aufmerksamkeit. Sie hatte den jungen Hotelpagen schon ganz vergessen, der so schamlos mit ihr geflirtet hatte, als sie heute früh angekommen war. Er war nur zu bereit gewesen, sie von sich trinken zu lassen. Jetzt, da ihm bewusst sein musste, dass sie ihm eine beinahe lebensgefährliche Menge Blut geraubt hatte, würde er nicht mehr ganz so willig sein. Sie stand auf und nahm das halbleere Glas mit ins Schlafzimmer. Die Furcht in seinem verbliebenen Blut würde diesem eine ganz besondere Würze verleihen.
Neferet lächelte.
Sieben
Zoey
Stevie Rae und ich waren mit Thanatos in ihrem Klassenzimmer verabredet. Ich hatte sie noch auf dem Weg aus dem Bus heraus angerufen. Viel hatten wir nicht geredet – sie hatte nur gesagt, sie wisse von der Pressekonferenz und wir sollten sofort zu ihr kommen.
Das House of Night roch nach Rauch.
Die ganze Schule stank. Und als wir auf den Parkplatz einbogen, wurde mir klar,
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