Verloren: House of Night 10 (German Edition)
sie mir als Kind gegeben hatte. »Das ist das Cherokee-Wort für Bulle.«
»Ja, das hat sie auch gesagt. Sie hat mir angeboten, bei ihr zu bleiben, solange ich niemanden mehr verletze, aber ich wollte nicht.« Er schüttelte den Kopf. »Ich hätte bleiben sollen! Dann hätte ich sie beschützen können, aber ich wusste ja nicht, dass sie in Gefahr war.«
»Dich trifft keine Schuld. Nicht diesmal«, sagte Thanatos. »Du sagst, du habest sie gestern verlassen und seiest heute zurückgekehrt?«
Er nickte. »Ich hatte sie verlassen, weil ich herausfinden wollte, wer ich bin – was ich bin. Deshalb kam ich hierher. Ich habe mich unter dem zerschmetterten Baum versteckt gehalten.« Flehend sah er Thanatos an. »Ich habe gehört, was Ihr an Dragons Scheiterhaufen über mich sagtet. Ich ertrug es nicht. Alles, was ich denken konnte, war, dass ich zurück zu Grandma Redbird musste – dass sie mir vielleicht helfen könnte, einen Weg zu finden, um ungeschehen zu machen, was auch immer geschehen war, um mich zu erschaffen.«
»Der Tod ihrer Tochter war es, der dich erschuf, Gefäß«, sagte Kalona kalt. »Du willst uns glauben machen, dass die Frau, deren Tochter deinetwegen sterben musste, dir Zuflucht gewähren wollte?«
»Es ist unglaublich, ich weiß.« Wieder suchten Aurox’ seltsam gefärbte Augen meinen Blick. »Ich verstehe nicht, wie Grandma so freundlich, so versöhnlich sein konnte, aber sie war es. Sie hat mir sogar Kekse mit Schokolade und Lavendel und dazu Milch angeboten.« Er zeigte auf seine Schuhe. Ich erkannte, dass es handgenähte Mokassins von der Art waren, wie Grandma sie gern zu Jul verschenkte.
»Kein Mensch hat ein so weites Herz. Selbst einer Göttin würde es schwerfallen, jemandem wie dir zu vergeben«, sagte Kalona mit kalter, toter Stimme.
»Mir hat eine Göttin vergeben«, sagte Rephaim leise. »Und ich habe schlimmere Taten begangen als Aurox.«
»Grandma hat ihn Bulle genannt. Und ich weiß, dass sie Lavendel-Schoko-Kekse backt«, sagte ich. »Und diese Mokassins kommen auch von ihr.«
»Das heißt, du warst in ihrem Haus, und sie hat mit dir gesprochen«, sagte Stark. »Aber es könnte ja auch sein, dass du ihr etwas angetan und dann das Zeug gestohlen hast.«
»Wenn das so wäre, warum sollte er dann hierherkommen?«, hörte ich mich fragen.
»Ein gutes Argument«, sagte Thanatos. Dann wandte sie sich an Shaylin. »Lies seine Farben, Kind.«
»Hab ich schon. Deshalb hat Aphrodite Darius und Stark davon abgehalten, ihn windelweich zu prügeln.«
»Seine Aura ist aus Mondlicht«, fuhr Aphrodite mit der Erklärung fort. »Da hab ich beschlossen, besser die Testosteronbremse zu ziehen.«
»Erkläre dich, Prophetin.«
»Wenn er eine Aura aus Mondlicht hat, muss er irgendwie mit Nyx verbunden sein, dachte ich mir. Schließlich ist der Mond ihr Hauptsymbol.«
»Gut gedacht.« Thanatos betrachtete Aurox eingehend. »Schon ehe Zoey deinen Geist gestärkt hat, hattest du dich bemüht, die Metamorphose, die dich überkam, unter Kontrolle zu bekommen.«
»Nicht besonders gut«, gab er zu.
»Aber ich habe gesehen, dass du es versucht hast.« Sie blickte zu mir. »Würde deine Großmutter ihm vergeben, selbst wenn sie gesehen hätte, zu was er werden kann?«
Ich musste nicht nachdenken. »Ja. Grandma ist die gütigste Person, die ich kenne. Sie ist unsere Ghigua, unsere Weise Frau.« Ich trat auf Aurox zu. »Wo ist sie? Wohin hat Neferet sie gebracht?«
»Ich weiß es nicht. Nur, dass Neferet und sie miteinander gekämpft haben. Grandma Redbird hat sie verwundet, und jetzt sind sie beide weg. Tut mir leid, Zo.«
Ich starrte ihn an. »Sag das nie, nie wieder zu mir.«
Neben mir kniff Stark die Augen zusammen und betrachtete Aurox wie ein Insekt, dem er gern die Beine ausreißen würde. »Du bist nicht Heath Luck.« Er sprach leise, aber es war offensichtlich, dass er kurz vorm Explodieren war.
Aurox schüttelte den Kopf. Er wirkte völlig verwirrt. »Ich bin Aurox. Ich weiß nichts von einem Heath Luck.«
»Das ist auch nur gut so. Wie Zoey schon sagte, nenn sie nie wieder Zo. Du bist nicht mal den kleinen Fingernagel von dem Typen wert, der sie so genannt hat.«
»Hat Heath Luck etwas mit Grandma Redbird zu tun?«, fragte Aurox.
»Nein!«, kam ich schnell allem zuvor, was Stark ihm noch an Beschimpfungen an den Kopf werfen konnte. »Und bitte, können wir uns jetzt darauf konzentrieren, wie wir Grandma finden?«
»Ich habe da eine Idee, wohin Neferet Sylvia Redbird gebracht
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