Verloren in deiner Sehnsucht: Roman (German Edition)
Einhalt gebieten«, stieß er hervor. »Ich wollte nur, dass er aufhört und Cyril nicht mehr weinte. Also bin ich ... aufgestanden, und ich ... habe ausgeholt. Mit dem Ruder, um Jeremy zu treffen. Und, bei Gott, ich wollte ihn schlagen. Aber Cyril, er muss im gleichen Moment aufgestanden sein oder sich bewegt haben. Das Ruder traf ihn an der Schläfe. Und dann ... dann kenterte das Boot. Ich erinnere mich, dass ich untergegangen bin, aber irgendwie kam ich wieder an die Wasseroberfläche. Ich griff nach dem Boot und klammerte mich daran fest. Ich wusste nicht, dass Cyril sich darunter befand.«
Antonia zuckte zusammen. »Vermutlich war er bewusstlos, als er ins Wasser fiel.«
»Sie sagten, ich hätte ihn bewusstlos geschlagen«, gestand Gabriel. »Und wahrscheinlich hatten sie recht damit. Wie wahnsinnig habe ich ausgeholt, um Jeremy zu treffen. Er ist ans Ufer geschwommen, während ich geschrien habe. Zwei der Diener sind vom Ufer aus losgeschwommen, während die Brüder der Duchess das andere Ruderboot genommen haben. Aber es war zu spät. Cyril hatte die ganze Zeit mit dem Gesicht nach unten im Wasser gelegen.«
»Und Jeremy ist ans Ufer geschwommen?«, wiederholte Antonia. »Obwohl er wusste, dass du nicht schwimmen konntest und Cyril untergegangen war?«
»Ich habe keine Ahnung«, sagte Gareth. »Ich weiß nicht, was Jeremy sich dabei gedacht hat. Vielleicht war er ja genauso erschrocken wie ich. Danach schien er sehr erschüttert zu sein und leugnete auch nicht, was er getan hatte. Aber die Duchess konnte nur daran denken, dass ich Cyril gegen den Kopf geschlagen hatte. Sie redete sich ein, ich hätte es absichtlich getan; dass ich schon lange auf diese Gelegenheit gewartet hätte. Vermutlich war das einfacher, als ihrem eigenen Neffen die Schuld zu geben.«
Antonia verschränkte ihre Finger mit seinen und drückte seine Hand. »Du lieber Gott«, murmelte sie. »Dabei warst du doch noch ein Kind.«
»Nicht in ihren Augen«, sagte er leise. »Nicht für die Duchess oder für Warneham. Für sie war ich die Verkörperung des Bösen. Sie weinte und schrie, ich hätte das Ganze geplant, um sie an Cyrils statt zu beerben. Dass ich neidisch gewesen wäre und es schon die ganze Zeit darauf abgesehen gehabt hätte, dass sie hätten wissen müssen, dass ›ein Jude für Geld alles tun würde‹. Zu der Zeit war ich noch absolut unbedarft und naiv. Ich war zwölf, um Himmels willen. Jetzt erst begreife ich, dass sie sogar damals schon Angst davor hatten, ich könnte sie beerben. Aber wie hätte mir so etwas je in den Sinn kommen können, Antonia? Ich war ein Niemand, von ihrer Gnade abhängig. Bis Cavendish vor ein paar Wochen in meinem Büro aufgetaucht ist, hatte ich doch keine Ahnung, dass so etwas überhaupt möglich war.«
»Aber sie haben es die ganze Zeit gewusst«, murmelte Antonia. »Sie müssen es gewusst haben.«
»Für mich war damals nur eins wichtig«, sagte er traurig. »Cyril war tot, und ich hatte ihn geliebt. Er hatte mich als seinen Freund akzeptiert, ungeachtet der Vorurteile aller um ihn herum. Für Cyril war es egal gewesen, ob ich ein Jude, eine Rothaut oder ein Seeräuber war. Er hatte einfach nur einen Spielkameraden gewollt. Er war ein netter Junge und hatte ein gutes Herz – und ich habe ihn getötet. Es war ein Unfall, aber er starb durch meine Hand, und damit muss ich jeden Tag meines Lebens leben. Ich brauchte Warneham nicht, um mich zu bestrafen. Ich wollte das hier nicht«, er machte mit den Händen eine weit ausholende Geste, »das hier, was von Geburt aus meinem Freund zustand.«
Antonia war nach Weinen zumute. Nicht nur um Gabriel, dem schweres Unrecht widerfahren war, auch um Cyril. Und seltsamerweise auch um die frühere Duchess, die ein Kind verloren hatte und in ihrem Kummer vielleicht ein wenig verrückt geworden war. Antonia konnte sie verstehen.
»Es tut mir so leid«, wisperte sie. »Ich kann mir kaum vorstellen, wie du dich wegen dieses Verlustes gefühlt hast. Du warst erst zwölf Jahre und hattest alles verloren. Deine Großmutter. Dein Zuhause. Und dann hat Warneham dich nach Portsmouth gebracht. Zum Meer.«
Gabriel schwieg einen Moment. »Er kam früh am nächsten Morgen«, sagte er leise. »Packte mich am Kragen und schleifte mich in seine Kutsche. Er sagte, er würde mir etwas präsentieren, vor dem ich mich fürchten könnte. Und das hat er dann auch getan.«
Antonia legte eine Hand auf die Stirn und stellte sich das Entsetzen des Jungen damals vor. Was
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