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Verloren in deiner Sehnsucht: Roman (German Edition)

Verloren in deiner Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Verloren in deiner Sehnsucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Carlyle
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zurück auf seinen Stuhl. »So schlimm wird es nicht werden, mein Lieber. Außerdem wird es ja nur vorübergehend sein. In gut zehn Jahren kann für ihn ein Offizierspatent erworben werden, dann wird er in die Armee eintreten – so wie sein Vater und sein Großvater vor ihm.«
    »Im Witwenhaus also?« Der Duke schien über den Vorschlag nachzudenken. »Das Dach ist undicht, und die Böden sind verrottet, doch ich würde meinen, wir könnten es herrichten lassen.«
    In der Mitte des Zimmers stand der Junge so still und starr, wie er es vermochte. Er versuchte einem Soldaten zu ähneln – seinem Vater. Dieses Zusammentreffen, das wusste er, war seine einzige Hoffnung. Und wäre es ihm nicht bewusst gewesen, so hätten die Tränen und Gebete seiner Großmutter heute Morgen, bevor sie das heruntergekommene Gasthaus verlassen hatten, es ihm deutlich gemacht. Er schluckte seinen neun Jahre alten Stolz und die bittere Galle herunter und straffte die Schultern.
    »Darf ich etwas sagen, Sir?«, piepste er.
    Der Kopf des Dukes fuhr in seine Richtung herum, während sich eine tödliche Stille in der Bibliothek ausbreitete. Zum ersten Mal betrachtete der Duke den Jungen von oben bis unten. »Nun«, sagte er schließlich mit Ungeduld in seiner Stimme, »dann sprich, Junge.«
    »Ich ... ich würde gern Soldat werden, Euer Gnaden«, bot er an. »Ich würde gern nach Spanien gehen, Sir, und wie mein Vater gegen Napoleon kämpfen. Bis dahin – nun, ich werde Euch keine Probleme machen, Sir. Das verspreche ich.«
    Der Duke sah ihn empört an. »Keine Probleme, eh?«, sagte er. »Keine Probleme! Nun, warum bezweifle ich das nur?«
    »Es wird keine Probleme geben, Sir«, wiederholte der Junge fest. »Das verspreche ich.«
    Doch er konnte nicht wissen – genau genommen konnte es niemand von den Anwesenden wissen –, als welch schrecklicher Irrtum sich das Versprechen herausstellen sollte.

Kapitel 1
    D ie Sonne schien warm auf das duftende Gras von Finsbury Circus. Gabriel stellte seine Holztiere in einer Reihe auf die Decke. Papas schmale braune Hand senkte sich und griff nach einem davon. »Gabe, wie heißt dieses Tier?«
    Gabriel stellte seinen Tiger an den frei gewordenen Platz. »Frederick«, sagte er.
    Sein Vater lachte. »Nein, von welcher Gattung ist das Tier?«
    Was für dumme Fragen sein Vater stellte! »Frederick ist ein Elefant. Du hast ihn mir aus Indien geschickt.«
    »Das ist richtig«, sagte Papa.
    Seine Mutter lachte leise. »Gabriel kennt das gesamte Tierreich, seit er drei ist, Charles. Ich bezweifle sehr, dass du ihm noch viel darüber beibringen kannst.«
    Seufzend lehnte Papa sich auf der Bank zurück. »Ich habe so viel versäumt, Ruth«, sagte er und nahm ihre Hand. »Zu viel – und ich fürchte, ich werde noch sehr viel mehr versäumen.«
    Mamas Gesicht verzog sich. »Oh, Charles, ich wollte nicht –« Rasch zog sie ein Taschentuch aus ihrer Tasche und hustete dezent hinein. »Entschuldige. Ich klinge schrecklich, nicht wahr?«
    Papa runzelte die Stirn. »Du musst dich um den Husten kümmern, sobald ich fort bin, meine Liebe«, ermahnte er sie. »Gabriel, wirst du Mama helfen, daran zu denken? Sie muss morgen zu Dr. Cohen gehen, keinen Tag später.«
    »Ja, Sir.« Gabriel nahm einen der Affen und reichte ihn seinem Vater.
    Papa balancierte die kleine Holzfigur auf seiner Handfläche. »Ist der für mich?«
    »Das ist Henry«, erklärte Gabriel. »Er wird mit dir nach Indien zurückgehen. Als Begleitung.«
    Papa steckte den Affen in seine Uniformjacke, bevor er Gabriel durch das Haar strich. »Danke, Gabe«, sagte er. »Ich werde dich ganz schrecklich vermissen. Geht es dir hier bei Zayde und Bubbe gut? Dir und Mama?«
    Gabriel nickte. Seine Mutter legte die Hand auf Papas Knie. »Es ist besser, wir belassen die Dinge so, wie sie sind, bis sich alles für uns geklärt hat«, sagte sie leise. »Es ist wirklich das Beste. Stört es dich sehr?«
    Papa legte seine Hand auf ihre. »Meine Liebe, mich würde nur eines stören – wenn du unglücklich wärst.«
    In den Büroräumen von Neville Shipping an der Wapping Wall summte es vor Geschäftigkeit wie in einem Bienenstock. Angestellte eilten mit Verträgen, Frachtbriefen, Versicherungspolicen oder der gelegentlichen Tasse Tee die Treppen hinauf und hinunter. Londons schwüle Augusthitze trug wenig dazu bei, die Hektik zu mindern, obwohl jedes Fenster geöffnet worden war, um die Morgenbrise hereinzulassen, die gerade mal ausreichte, um den Gestank der Themse

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