Verloren unter 100 Freunden
vorstellen, dass irgendetwas, das sie in der Öffentlichkeit tut, nicht in Facebook landet. Immer wenn sie zu einer Tanzveranstaltung, einer Party oder in einen Coffeeshop geht, machen ihre Freunde Fotos und posten sie. Gloria möchte sich nicht so danebenbenehmen, dass Facebook sie hinauswirft.
Hester, achtzehn, College-Neuling, sagt, sie mache sich langsam Sorgen über all die Dinge, die sie ins Internet gestellt habe und nicht mehr rückgängig machen könne. Sie sagt: »Das ist das Schlechte [am Online-Leben]. Bei der Schreibmaschine kann man das Blatt Papier ausspannen und schreddern. Aber wenn etwas online ist, ist es online. Andere können es kopieren und speichern; sie
können es sich untereinander zumailen; sie können es ausdrucken. … Man muss aufpassen, was man im Internet schreibt, denn das meiste … wenn man es ins Internet stellt, dann war’s das. Viele Leute … ob sie nun einen Zugang haben oder nicht, es ist eben immer noch da.« So ist das in der Welt des Copy-and-paste. Noch schlimmer: So ist das in der Welt des Copy-edit-and-paste. Ein älterer Hadley-Schüler erläutert, was mit einer Online-Unterhaltung passieren kann: »Andere können sie sich speichern, ohne dass man es weiß. Oder sie kopieren sie und schicken sie weiter. Du denkst, es ist vertraulich, aber das stimmt nicht. … Und sie brauchen einfach bloß umzuschreiben, was sie wollen. Wenn sie es dann an einen Freund weiterschicken, kann man ziemlich schlecht dastehen. Nichts, was man schreibt, muss unbedingt so bleiben, wie man es gesagt hat.«
Eine Elftklässlerin an der Roosevelt-Highschool ist beunruhigt: »Meine Vertrauenslehrerin hat gesagt, ich soll nie was Dummes in eine E-Mail schreiben, weil da jeder drankommt. Das macht mich ein bisschen nervös, denn ich schreibe jeden Tag an meinen Freund in Toronto, und natürlich erwähne ich dabei manchmal auch andere Freunde und kritisiere sie, also möchte ich nicht, dass sie es sehen, und ich kann nur hoffen, dass es keiner merkt.« Eine Roosevelt-Zehntklässlerin, der bereits klar geworden ist, dass das Internet ein »permanentes Aufzeichnungsgerät« ist, hat sich dafür entschieden, ihre geheimsten Gedanken nur dem Papier anzuvertrauen: »Ich bewahre meine Geheimnisse in meinem Tagebuch auf, nicht im Computer und nicht auf meiner Webseite.«
Den achtzehn Jahre alten Brad, der dem Internet misstraut, kennen wir bereits. Er weiß, dass sein Online-Leben nicht geheim bleibt. Meist gelingt es ihm, nicht daran zu denken, aber in letzter Zeit ist er doch beunruhigt. Was ihn am meisten stört, ist die Art, wie seine Freunde mit »Chat-Beiträgen« umgehen. Brad erklärt:
»Immer wenn man etwas eintippt, wird es automatisch in einem Ordner gespeichert, auch ohne dass man sich irgendwo damit einverstanden erklärt hat.« Brad war das nicht bewusst, bis ihn die Unterhaltung mit einer Freundin darauf brachte. Zu jener Zeit waren sie beide in der elften Klasse, und sie erwähnte etwas, das er während des ersten Highschool-Jahres gesagt hatte. Sie hatte die ganze Highschool-Zeit über Chatforen besucht. Brad sagt: »Ich war schockiert, dass sie ihre Zeit auf diese Weise verbrachte … dass sie sich einfach so die Unterhaltungen durchlas.« Nun ist er hin- und hergerissen zwischen der Empörung darüber, dass er unwissentlich »aufgenommen« worden ist, und der Wut auf sich selbst, weil er daran nicht früher gedacht hat. »Schließlich weiß ich ja, wie IM-Unterhaltungen funktionieren …«, sagt er, »Ich glaube, ich hatte schon davon gehört, es aber wieder vergessen. Ich weiß, dass ich mit großer Wahrscheinlichkeit … bestimmte Leute kenne, die auf ihrem Rechner ein Programm laufen haben, das eine Kopie des Chat-Textes erstellt.«
Brad macht sich Vorwürfe, weil er beim Nachrichtenschreiben zu unbekümmert war. Die Vorstellung, seine Streifzüge aus dem zweiten Highschool-Jahr könnten ihren Weg auf jemandes Facebook-Seite oder Blog oder »was auch immer« finden, ist ihm unerträglich. Er hat kein sehr klares Bild davon, welche schlimmen Dinge passieren könnten, aber seine Angst ist authentisch. Er sagt, Datenklau sei »furchtbar«. Seine Äußerungen könnten ja überall auftauchen.
Brad sagt, er sehe das Internetleben nicht mehr als eine Umgebung, in der er sich entspannen und er selbst sein kann, »weil alles gespeichert wird. … Das ist wieder etwas, das man im Hinterkopf behalten muss, dass man alles sehr vorsichtig machen muss.« Wenn er in persönlichen
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